[XVIII. 376] Maafsbestimmungen über die Reinheit consonanter Intervalle. 139
ruht und welche Schwankungen die Einzelversuche, aus denen
diese Zahlen doch wohl Mittelwerthe sind, aufweisen.
3. Preyer schlofs aus seinen Beobachtungen, dafs die Em¬
pfindlichkeit für die Octave weitaus am gröfsten sei, gröfser so¬
gar als die Unterschiedsempfindlichkeit für einen einzelnen Ton.
Selbst Ungeübte und Unmusikalische erklärten nach ihm die
Octave für unrein bei einer Verstimmung von 3 Schwingungen,
und zwar in der Gegend der zweigestrichenen Octave. Geübte
erklärten die physikalisch reine Octave 500,5 : 1001 für rein, die
nur um 0,1 Schwingung gröfsere 500,4 : 1001 bereits für unrein.
Ebenso sind nach Preyer 250 : 501 und 500 : 1001 gutmerklich
unrein.
Auf die Octave folgen : Quinte, grofse Secunde, Quarte, dann
die Terzen und Sexten. Bei diesen und der Secunde ist das Er¬
gebnis, soweit es sich überhaupt einigermaafsen fixiren liefs,
nicht dasselbe für Vergröfserungen und Verkleinerungen, daher
die Reihenfolge nicht eindeutig zu bestimmen.1
Obschon dieses Ergebnis, abgesehen von der Secunde, mit der
traditionellen Meinung wohl im Einklang steht, ist doch kaum
Gewicht darauf zu legen, da es überall nur aus wenigen Fällen
abgeleitet ist und die Grenzwerthe aus den kleinen Tabellen mit
starken Willkürlichkeiten ausgewählt werden. Preyer ist sich
dieser Willkürlichkeiten auch selbst bewufst. Er gieht hei den
meisten Intervallen seine Maafsbestimmungen mit grofser Re¬
serve. Die beiden Beobachter stimmten auch zu wenig mit ein¬
ander überein, um die Grenzwerthe deutlich erkennen zu lassen.
Bei der kleinen Terz schwankt z. B. der Grenzwerth für Ver¬
kleinerungen zwischen 0,7 und 2,5.
Speciell bei der Quinte, auf die es besonders ankommt,
wenn die Reihenfolge der Empfindlichkeit mit der der Consonanz
verglichen werden soll, hatte Preyer in seinem Apparat keinen
Uebergang zwischen den physikalisch reinen und den stark un-
1 Pkeyek suchte hierbei zunächst den Punkt, wo das erste bestimmte
Unreinheitsurtheil abgegeben wurde. Er berechnet aber nicht die ab¬
solute Empfindlichkeit d. b. den reciproken Werth der entsprechenden
Schwingungszahldifferenz, sondern die relative Empfindlichkeit, d. h.
das reine Intervall (das physikalische Verhältnifs), dividirt durch die Ab¬
weichung des ebenmerklich unreinen vom reinen. Indessen bleibt die
resultirende ^Reihenfolge wenigstens für die gröfseren Abstufungen nach
beiden Bestimmungsweisen die nämliche.