[XVI. 369] Ueher die TJnterschiedsempfindlicKkeit für Tonhöhen. 83
Die erste Versuchsreihe gestaltete sich folgendermaassen.
Dine der Versuchspersonen fragte vor dem Versuche, wie lange
•es dauern und wieviel Versuche die Reihe ungefähr enthalten
werde. Zur Beruhigung sagte ich, dass die Reihe nicht 200 oder
300 Einzelversuche umfassen werde; doch könnten es immerhin
30 werden. Zwei der Versuchspersonen hörten darauf heim
17. Einzelversuch das Intervall 480: 599,3 bereits deutlich als zu
gross, was um so auffälliger ist, als im Allgemeinen zu kleine
Intervalle leicht als zu klein erkannt werden. Ich halte es für
ziemlich wahrscheinlich, dass sich hier die Ueberschreitung der
Hälfte von 30, wenn auch unbewusst, geltend gemacht hat.
Die Beobachter bestritten natürlich durchaus, sich irgendwie
nach der vorher erwähnten Zahl 30 gerichtet zu haben. Auch
der dritte an den Versuchen theilnehmende Beobachter (Hß.)
scheint nicht ganz unbeeinflusst gebliehen zu sein, da er
hei keiner anderen Reihe zu einem gleich tief liegenden
Reinheitsgebiete gelangte. Nun werden sich nicht immer so
starke Einflüsse geltend machen. Man hat aber nicht die ge¬
ringste Sicherheit, dass sich nicht ähnliche, wenn auch geringer
wirkende Zufälligkeiten einstellen, die man nicht nachzuweisen
im Stande ist.
Im Ganzen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein zu
kleines Terzenintervall leichter als verstimmt erkannt wird, als
ein um ebensoviel zu grosses. Dies habe ich nun hei An¬
wendung der Methode der richtigen und falschen Fälle bestätigt
gefunden, hätte es aber aus dem Ergebniss der Methode der
Minimaländerungen nicht mit Bestimmtheit zu erschliessen ge¬
wagt. Denn die Schwankungen der *Grenzwerthe sind ganz
ausserordentlich gross und weisen deutlich genug darauf hin,
hass hier, wie wohl stets, wenn die Methode der Minimal¬
änderungen auf Tonqualitäten angewandt wird, das Ergebniss
eine Folge ist nicht nur der zu beurtheilenden Empfindungs¬
unterschiede, sondern noch zahlreicher anderer Momente, deren
Einfluss mit Sicherheit oder auch nur Wahrscheinlichkeit fest¬
zustellen ein Ding der Unmöglichkeit ist.
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