Max Meyer.
[XVI. 2]
Damit wir das Thatsachenmaterial nach Möglichkeit bei¬
sammen haben, will ich zunächst die Ergebnisse meiner früheren
Abhandlung in kurzer Zusammenfassung wiedergeben und dann
neue Beobachtungen anschliessen.
Die Differenztöne sind subjektiven Ursprungs *, d. h. sie ent¬
stehen durch die eigenthümliche Funktion unseres Gehörorgans.
Eine allgemein geltende Formel, aus der man für jeden Einzel¬
fall ableiten könnte, welche Differenztöne entstehen müssen, giebt
es nicht. Doch haben sich nach meinen Beobachtungen die fol¬
genden Regeln als richtig erwiesen.
Bei Halbton- oder noch kleineren Intervallen ent¬
steht einzig und allein der direkt der Differenz der Primär¬
töne entsprechende Differenzton, z. B. (in Verhältnisszahlen ausge¬
drückt) beim Intervall 19:20 der Ton 1.
Bei grösseren Intervallen bis zur Oktave hin, von
denen die Voraussetzung erfüllt wird, dass ihre Verhältnisszahlen
sich um eine Einheit unterscheiden, entstehen ausser 1, der am
stärksten auftritt, noch einige derjenigen Töne, die den in der
absteigenden Zahlenreihe auf die Primärtöne zunächst folgenden
Zahlen entsprechen, z. B. beim Intervall 8 :9 ausser 1 noch 7, 6
und 5, bei 6 : 7 ausser 1 die Töne 5 und 4 ; unterscheiden sich
die Primärtöne um mehr als eine Einheit, so entstehen die
Differenztöne h — t, 21—h und 2 h — 3/, wobei h die Schwingungs¬
zahl des höheren, t die des tieferen Tones darstellt. Der stärkste
von diesen drei Tönen ist bei Intervallen, die kleiner sind als
die Quinte, der Ton h — f, bei den Intervallen zwischen Quinte
und Oktave der Ton 21 — h ; z. B. ist beim Intervall der kleinen
Sexte — 5:8 — der stärkste Differenzton 2, die beiden andern
sind 3 und 1. Für ein starkes Auftreten des Differenztones
21—h ist in jedem Falle günstig ein Ueberwiegen der Stärke des
tieferen Primärtones über die des höheren.
Bei Intervallen, die über die Oktave hinaus¬
gehen, entsteht derjenige Ton, dessen Verhältnisszahl gleich der
kleinsten Differenz ist, die man erhält, wenn man h vom
Doppelten oder Dreifachen von t (bezw. dieses von h) abzieht
So hört man beim Intervall 4:9 den Differenzton 1, da 9 — 2-4—1,
bei 4:11 ebenfalls 1, da 3-4 —11 = 1 ist.
1 In gewissen Fällen vorkommende objektive Kombinationstönb
interessiren uns hier nicht.