Uebersicht der Theorie der antiken Musik.
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monischen Grundton und ist demnach ein rf-Moll mit grosser Sexte,
welches sich als die parallele Molltonart der Lydischen Dur darstellt;
ebenfalls wie das Dorische und Mixolydische Moll mit dem Melodie-
schlusse in der Quinte:
Aber welchen Namen führt diese Molltonart? Es hat sich gezeigt,
dass die Octavengattung hcd efg a h je nach ihrer verschiedenen har¬
monischen Behandlung bald die Syntono-Iastische, bald die Mixolydische
Octavéngattung sein kann, und so ist es auch für die vorliegende Octaven¬
gattung ahcdefga von Euklid, p. 16, Gaudentius p. 20, Bacchius über¬
liefert, dass sie die Hypodorische oder die Lokrische ist, zwei Namen,
welche nicht etwa identisch sind, sondern nach S. 25 zwei verschie¬
dene Tonarten bezeichnen, — ja es sind nicht blos zwei, sondern sogar
drei Tonarten, welche die gemeinsame Octavengattung ahcdefga
haben, denn es hat sich oben gezeigt, dass dies auch die Scala der
Syntonolydischen Tonart ist. Wie die Hypodorische und die Lokrische
unter sich verschieden sind, so müssen beide auch von der Syn¬
tonolydischen verschieden sein. Denn dass die Hypodorische oder
Aeolische mit der Syntonolydischen identisch sei, dem widerstreitet
was uns von dem klagenden Charakter der einen, und dem vertrauens¬
vollen, freudigen und energischen Charakter der andern überliefert
ist (S. 26 u. K. 2, 1), und ebensowenig darf man eine Identität der Syn¬
tonolydischen und Lokrischen Tonart annehmen, denn die Lokrische
Tonart war schon zu Heraklides Ponticus’ Zeit ausser Gebrauch ge¬
kommen, die Syntonolydische ist aber noch zur römischen Kaiserzeit
so vulgär, dass ein Musiker, der bereits das Spiel auf der Hydraulis
bei der Klassification der einzelnen Zweige der Musik obenan stellt,
für den Anfänger ein Uebungsbeispiel in der Syntonolydischen Tonart
gewählt hat.
Die in Bede stehende Tonart, welche das parallele Moll des Ly¬
dischen Dur ist, muss entweder die Lokrische oder die Hypodorische
auch Aeolisch genannte Tonart sein. Ist sie die Lokrische, dann muss
die derselben Octavengattung ahcdefga angehörende, aber von
Westphal, Geschichte der Musik. 3