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Drittes Kapitel. Monodik und Instrumentalmusik
zu ziehenden Zweig monodischer Vocal-Musik, — wir meinen nicht die
erst später auf kommende Solo-Musik des Theaters, von welcher im vierten
Capitel zu sprechen ist, sondern eine anspruchslosere Gattung, die sich
von der Kunstform des Nomos durch Einhaltung der einfachen Lied¬
form unterscheidet: die Monodie der lesbischen Dichter, des Anakreon
und was sonst diesem Kreise angehört. Hier gelten andere Grundsätze
für die Anwendung, der Tonarten. Die Kithara und Lyra sind die
einzigen national-hellenischen Saiteninstrumente, und nur diese wurden
im Agon zugelassen, aus dem die fremdländischen Saiteninstrumente,
obwohl sie durch ihren grösseren Tonumfang eigentlich vollkommener
waren, ausgeschlossen blieben; aber ausserhalb dieses Kreises, in der
Monodie der Erotik, Sympotik u. s. w., die durch kein Herkommen und
keine agonistischen Wächter und Richter beschränkt war, hatte man
diese Scheu nicht zu hegen und gebrauchte die orientalischen Saiten¬
instrumente sogar mit einer gewissen Vorliebe. So Sappho und Ana¬
kreon. Hier kann es nicht befremden, wenn die lydische Tonart, zu
der die Kithara nicht erklingen darf, durch ein ausländisches Saiten-In¬
strument, die Pektis, ausgeführt wird. Ueber die Tonarten der sich im
Liedstile bewegenden Monodik sind wir wenig unterrichtet. Anakreon
— dies wissen wir aus Athenäus — gebrauchte die dorische, phrygische
und lydische, doch auf welchem Tone des tonischen Dreiklanges die
Melodie bei dem abschloss, wissen wir nicht; denn die Namen Do¬
risch, Phrygisch- und Lydisch stehen hier unstreitig als Namen für
die Tonarten im weiteren Sinne, nicht als Bezeichnung der einzelnén
Species. Am wichtigsten ist aber dies, dass in diesem monodischen
Kunstzweige eine in dem Nomosstile nicht vorkommende Tonart, näm¬
lich die mixolydische (Octavengattung h—h) angewandt wird. Irgend
ein Berichterstatter sagt bei Plut. mus. 28, dass Terpander die ganze
mixolydische Tonart erfunden haben soll. Da dies Mixolydische in
einer ganz entschiedenen Beziehung zu dem erst nach Terpanders Zeit
durch Olympus eingeführten Dur steht, so ist es ganz unmöglich, dass be¬
reits Terpander mixolydisch componirthaben sollte; seine kitharodischen
Nomoi sind dorisch, äolisch oder böotisch; von einer mixolydischen Com¬
position des Terpander ist keine Rede. Woher jener Bericht stammt, ist
leicht zu sehen. Das Synemmenon-Heptachord Terpanders hat die Scala
h c d e f g u
und diese Scala ist allerdings die mixolydische Octavengattung. Ter¬
pander aber gebraucht hier nicht den Ton /#, sondern vielmehr den Ton e