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Drittes Kapitel. Monodik und Instrumentalmusik
. einzelnen Entwickelungsphasen der monodisch-instrumentalen und der
chorischen Musik seit der zweiten Katastasis sind in vielfacher. Hinsicht
die nämlichen, und jede, von beiden Richtungen hat auf die andere ein¬
gewirkt, jedoch so, dass die chorische Musik mehr durch die mono¬
disch-instrumentale Musik beeinflusst worden ist als umgekehrt. Für
die Darstellung der G-eschichte der Musik aber ist es angemessen beide
Zweige von einander zu trennen und zunächst die monodisch-instru¬
mentale Musik des klassischen Zeitraumes in unmittelbarem Anschlüsse
an die archaische Zeit zu behandeln. Für die archaische Zeit unter¬
schieden wir die Kitharqdik, die Aulodik, das weltliche Lied und die
Auletik. Alle diese vier Zweige sehen wir in der vorliegenden Periode
in unmittelbarem Anschluss an das, was in der archaischen Zeit er¬
rungen war, sich weiter entwickeln, insbesondere hält der kitharo-
dische Nomos die alten terpandrisehen Normen und die Auletik die
alte Weise des Olympus fest. Aber zu den bereits vorhandenen Zweigen
kommt ein neuer hinzu, die Kitharistik, die auf dem Gebiete der
Saiteninstrumente dasselbe ist wie die Auletik im Gebiete der Aulosmusik;
ja schliesslich vereinigt sich Auletik und Kitharistik zu einer dritten
Art der Instrumentalmusik. Doch ist die Kitharistik nicht von gleicher
Wichtigkeit wie die alten Kunstzweige, die aus der archaischen Kunst¬
periode herübergekommen sind. Wichtiger sind die neuen Kunst¬
mittel, welche die zweite Periode der monodischen und Instrumental¬
musik hinzufügt. Es beziehen sich dieselben zunächst auf das System
der Tonarten. Die archaische Kitharodik kannte nur die drei Species
der altnationalen Molltonart, das Dorische, Aeolische und Böotische;
die alte Aulodik des Klonas beschränkte sich vielleicht nur auf die
Doristi, wenigstens war ihr die Aeolisti fremd; die Auletik des Olym¬
pus fügte der Doristi noch das phrygische und syntonolydische Dur
hinzu. In der gegenwärtigen Periode gewinnt die Auletik zu ihren
früheren Tonarten noch die sog. eigentliche Lydisti d. h. die Quinten-
species des lydischen Dur, und die Iasti d. i. die Primenspecies des
phrygischen Dur hinzu; die Aulodik tritt in Beziehung auf die Ton¬
arten mit der Auletik auf denselben Standpunkt; die Kitharodik ent¬
lehnt aus der Auletik die Phrygisti und bemächtigt sich ausser der¬
selben auch noch der durch Xenokritus für die chorische Musik auf¬
gebrachten Lokristi, d. i. der parallelen Molltonart des phrygischen
Dur; das weltliche Lied endlich wird durch Sappho ebenfalls um eine
neue Tonart, die Mixolydisti, bereichert, die sich der sonst für dies
Genre üblichen Doristi, Lydisti und Phrygisti hinzugesellt.