4. Olympus. Durtonarten.
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sowohl das antike Lydisch wie das antike Phrygisch eine die Melodie
in der Quinte abschliessende Durtonart ist; beide Durtonarten unter¬
scheiden sich von einander und von unserem modernen Dur durch die
Eigenheit, dass das Lydische Dur eine übermässige Quarte und das
Phrygische Dur eine verminderte Septime hat: jenes ist ein f-Dur mit/*
statt dieses ein -Dur mit /'statt fis. Sehen wir davon ab, dass
die Melodie nicht in der Prime, sondern in der Quinte schliesst, so ist
das antike Lydisch genau dieselbe Tonart, welche als Kirchenton den
Namen Lydisch trägt; das antike Phrygisch muss in gleicher Weise mit
dem Mixolydischen Kirchentone identidcirt werden. Wir wollen die
Gründe für diese unsere Auffassung nicht wiederholen. Die Früheren
erblickten ohne weiteres in dem jedesmaligen Schlusstone der Octaven-
gattungen die Tonica der gleichnamigen Tonart. Es hat sich aber aus
den über die Begleitung des dorischen Tropos spondaikos erhaltenen
Nachrichten aufs entschiedenste herausgestellt, dass nicht der tiefste
Ton oder die Hypate meson der dorischen Octavengattung (e), sondern
vielmehr der vierte Ton oder die Mese («) der tonische Grundton ist.
Dies stimmt völlig mit der in den Problemen des Aristoteles enthaltenen
Angabe, dass die Mese derjenige Ton ist, welcher für die harmonische
Bedeutung die grösste Wichtigkeit hat, dass nach ihm gestimmt wird,
dass er am häufigsten in der Krusis vorkommt und dass, wenn man ihn
verlassen hat, man doch schliesslich immer wieder zu ihm zurückkehrt,
d. h. also, dass er im Schlussaccorde gebraucht wird. Die Probleme
reden aber nicht etwa bloss von der Mese der dorischen Tonart, son¬
dern von der Mese überhaupt, — ihnen zufolge müssen wir auch für
die phrygische und für die lydische Tonart der Mese diese Bedeutung
des tonischen Grundtones geben.
Hierbei ist der S. 12 dargelegte Unterschied der dynamischen und
thetischen Benennung der Töne festzuhalten. Die thetische Be¬
nennung besteht darin, dass der tiefste Ton der dorischen, lydischen
und phrygischen Octavengattung die dorische, lydische oder phrygische
Hypate, der zweite die dorische, lydische oder phrygische Parahypate,
der dritte Ton die dorische, lydische und phrygische Lichanos, der
vierte Ton die dorische, lydische und phrygische Mese u. s. w. ge¬
nannt wird.
Hypate Para- Lieh. Mese Para- Trite Para-
Hypate » mese • nete Nete
Dorisch . . e /' a h. e d e
Phrygisch ..de /' g a h. c d
' Lydisch . . c de f y a h c