2. Ivlonas und der Tropos spondeiazon.
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dissonirende klangen ; — im Falle also die griechische Musik keine unisone
gewesen sei, wären zu Accordverbindnngen nur Octaven, Quarten und
Quinten, nicht aber die übrigen Intervalle zugelassen worden. Dies
ist ein bis zum Ueberdruss wiederholtes, völlig grund- und bodenloses
Raisonnement. Zunächst ist die Uebersetzung der Wörter Symphonie
und Diaphonie durch Consonanz und Dissonanz eine gründlich ver¬
fehlte. Ein symphonischer Accord ist nach der Definition der griechi¬
schen Techniker ein solcher, in welchem die beiden Töne eine einheit¬
liche Verbindung, gleichsam einen einzigen Ton bilden; in dem dia-
phonischen Accorde treten die beiden Töne bestimmt und scharf aus
einander. In diesem Sinne müssen auch wir Modernen z. B. die Terz,
in welcher die beiden Töne scharf her vortreten, in deutlich zu erken¬
nender Selbstständigkeit und ausgeprägter Persönlichkeit, zu der Klasse
der Diaphonien rechnen, die Quinte dagegen mit ihrer unbestimmten und
wenig ausgeprägten Persönlichkeit zu den Symphonien. Ebenso werden
wir jene Bestimmtheit auch in der Sexte und Septime hören und die¬
selben mit der Terz in eine gemeinsame Kategorie stellen. Nur das Eine
könnte auffallend erscheinen, dass das antike Ohr nicht bloss in der
Quinte, sondern auch in der Quarte eine einheitliche „Mischung“ der
beiden Töne findet, denn sie erscheint uns nicht minder individuell und
bestimmt als Terz und Septime. Indess hat sich bereits S. 23 ff. ge¬
zeigt, dass die in jeder Octavengattung sich ergebende Quarte von der
thetischen Hypate meson bis zur thetischen Mese nichts Anderes ist
als die Unterquarte der Tonica oder thetischen Mese, und so müssen
wir annehmen, dass die Griechen überhaupt bei ihrer Eintheilung in
symphonische und diaphonische Intervalle in der ersten dieser beiden
Kategorien zunächst von der Oberquinte und Unterquarte der Tonica
ausgehen. Mithin ist es ganz gerechtfertigt, wenn die Alten auch
in der Verbindung der Unterquarte mit der Tonica dieselbe einheitliche
Mischung der Töne finden wie in der Oberquinte.
Soviel über den Begriff' der Symphonien und Diaphonien. Der
Schluss, den man aus der bisherigen unrichtigen Auffassung dieser Be¬
griffe ziehen zu müssen glaubten, dass die Alten zur Begleitung einer Me¬
lodie nur Quarten und Quinten zugelassen hätten, zeigt sich aber nun noch
mehr durch die vorliegenden Daten über die Begleitung des aulodischen
spondeion Melos in seiner vollen Unrichtigkeit. Es ist uns dort näm¬
lich überliefert worden, dass die Alten nicht bloss den symphonischen
Quintenaccord, wie a e oder /V, und den symphonischen Quartenaccord,
wie e à, zugelassen haben, sondern auch den diaphonischen Sexten-