Zur Blindenschrift.
139
nen mir nicht im richtigen Verhältnisse zu dessen Brauchbarkeit
und Nutzen zu stehen.
Ein weit besseres Verhältniss dürfte sich bei der Benützung
unserer Notenschrift herausstellen. Der Blinde, welcher jeden Na¬
delstich auf gewöhnlichem Papiere fühlt, wird leicht die scharfen
Eindrücke auf einem eigens dazu bereiteten starken und elastischen
Notenpapiere mit erhabenen Linien abtaslen können. Und diese
Eindrücke kann er eben so leicht selbst machen. Er mag diess mit¬
telst eines einfachen MetallgrifTels thun, dessen Ende die Form des
länglichen Notenkopfes in scharfen Umrissen hat. Je nachdem er
nun diese kleine Endfläche des Griffels wagrecht, senkrecht oder
schräge auf und zwischen die Linien presst, wird er ohne Rahmen
und Schablone auf der nachgiebigen Papierfläche ziemlich rasch
schreiben und das Geschriebene eben so bequem lesen können.
Läuft beim Schreiben die linke Hand tastend hinter der rechten her,
so überzeugt sich der Schreibende sogleich von der Richtigkeit sei¬
nes Zeichens, wie wir diess mittelst des Auges zu thun pflegen. Ist
diese methodische Selbstcontrole für Anfänger besonders nothwen-
dig, so giebt sie auch späterhin eine sehr erwünschte Sicherheit, da
bekanntlich das Alter auch nicht vor Schreibfehlern schützt. Um
einen solchen sogleich wieder tilgen zu können, mag das andere
Griffelende dieselbe Gestalt haben, wie bei dem Stilus der alten
Römer, mit dem sie Notizen in ihre Wachstafeln gruben und sodann
dieselben wieder glätteten, d. h. der Griffel wird nach oben breiter
und dünner, und trägt eine nicht zu scharfe Kante, die etwa so lang,
wie die Notenzeile breit ist. Mil dieser Kante können auf dem wei¬
chen und starken Papiere leicht die Unebenheiten einer verdorbenen
Stelle sammt den Linien getilgt werden, sei es durch Glättung, sei
es durch mehrmalige kreuzweise Einsetzung der Griffelkante in die
Zeile. Ueberdiess kann das senkrechte Eindrücken derselben in die
Notenzeile die Trennung der Worte und Sätze andeuten, und ge¬
winnt diess Unterscheidungszeichen durch Verdoppelung oder etwas
abweichende Stellung leicht an Mannichfaltigkeit. Sollte es nun
vortheilhafter sein, die Notenköpfe mittelst eines scharfen Griffels
durch das Papier zu pressen, und denken wir uns dieselben z. B. in
der Richtung von Rechts nach Links durchgeschlagen, um dann wie
Baille’s Schrift auf der anderen Seite von Links nach Rechts gelesen
zu werden, so zeigt sich der Vortheil der Vereinfachung nicht min-