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Hans Rupp :
wie die Dachfonn die gegebenen Figuren wesentlich und oft plötzlich
klar und eindrucksvoll machen usw. Durch Wiederholung derselben
Aneinanderfügung, wie es bei der horizontalen Reihenfolge der Sechsecke
der Fall war, wird diese Aneinanderfügung klarer und kann schließlich
ohne Schwierigkeiten ausgeführt werden. Die Akademiker und die
Metallarbeiterlehrlinge, die von der Geometrie im Auffassen von Formen
geübt sind, lösen das Wabenmuster wesentlich besser.
Die Wirkung der Übung geht aber doch nur bis zu gewissen Grenzen.
Bei manchen Fällen hat man den Eindruck, daß alles Erläutern und Üben
hoffnungslos wäre. Sieht man jedoch von den hoffnungslosen Fällen ab, so
scheint es zunächst, als ob durch Übung die individuellen Unterschiede
auszugleichen wären. Auch das dürfte nach den bisherigen Beobach¬
tungen nicht der Fall sein. Zwar kann eine einzelne Struktur durch
intensive Übung allmählich vollständig geklärt werden wie das zuletzt
erwähnte Beispiel zeigt. Dennoch bleibt in der allgemeinen
Fähigkeit ein tiefgehender Unterschied bestehen. Ebenso wie sich beim
Bienenwabenmuster für den Unbegabten zu Anfang völlige Ratlosig¬
keit zeigt, während der Begabte sofort klar und sicher das richtige Muster
zeichnet, so war auch nach der erwähnten intensiven Übung bei neuen
Mustern wieder Hilflosigkeit und Fehlerhaftigkeit vorhanden. Und
das Beispiel des Akademikers, der das Wabenmuster nicht lösen konnte,
zeigt, daß trotz jahrelanger Übung in Geometrie (höhere Schule) das
Erfassen der Struktur in andersartigen Fällen doch nicht soweit geklärt
werden kann, daß Muster wie das Wabenmuster ohne besondere neue
Übung gelöst werden. Die Übung hebt also die individuellen Unter¬
schiede nicht auf. Wir haben es mit einer (noch genauer zu bestimmen¬
den) Fähigkeit zu tun, die als im Individuum festliegende, durch Übung
nicht wesentlich beeinflußbare Eigenheit anzusehen ist.
e) Bei längerer Fortsetzung des Musters nach rechts treten wieder¬
holt Fehler auf, die anfangs nicht vorhanden waren. Man würde durch
die Fortsetzung Übung und damit Verbesserung erwarten; es tritt im
Gegenteil gelegentlich Verschlechterung ein. Die Erklärung für diese
Erscheinung kann in mehreren Ursachen liegen. Wenn erst wenige
Sechsecke gezeichnet sind, so scheint es, daß man ihre Struktur und ihre
Aneinanderfügung und die Beziehung einzelner Teile leichter erfassen,
klarer herausheben kann, als wenn schon ein längeres Band von Sechs¬
ecken vorliegt. Die Sechsecke fügen sich in dem letzten Falle zu einem
innigeren Ganzen zusammen, in das die Analyse schwerer eingreift, als
wenn erst wenige Sechsecke vorhanden sind. Die Masse wirkt für eine
analysierende Tätigkeit verwirrend. Ein weiterer Grund kann darin
liegen, daß man bei längerer Fortsetzung des Musters leichtsinnig wird.
Fehler begeht, die nun in Fällen, wo die Struktur gerade noch klar
erfaßt worden ist, nicht mehr korrigiert werden können. Denn das Muster