Krafft, Die Beziehungen etc.
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VIL
(Aus der Provinzial-Taubstummenanstalt in Königsberg i. Pr.
[Direktor Otto Krafft.'])
Die Beziehungen der medizinischen Wissenschaft zur
Taubstummenbildung mit besonderer Berücksichtigung
der phonetischen Entwicklung.
Von
Direktor OTTO KRAFFT
in Königsberg i. Pr.
(Mit 1 Abbildung im Text.)
Der heilpädagogische Charakter der Taubstummenanstalten
bedingt ein Zusammenwirken ärztlicher und fachmännischer Praxis,
und zwar tritt dieser aus den Verhältnissen sich ganz natürlich er¬
gebende Zusammenhang hinsichtlich der ausübenden Spezialpraxis
des Ohrenaztes ganz besonders in den Vordergrund, während auf
einem anderen medizinisch-wissenschaftlichen Gebiete, auf dem der
sprachphysiologischen Forschung, eine Fühlungnahme der fach-
pädagogischenPraxis mit den entsprechenden medizinischen Arbeits¬
gebieten erst in jüngster Zeit durch die sich mehr und mehr auf
wissenschaftliche Grundlage stellende Ausgestaltung des Laut-
sprachverfahrens im Taubstummenunterricht in klar ausgeprägter
Weise hervorzutreten beginnt. Berührungspunkte sprach-ohren¬
ärztlicher und fachpädagogischer Bestrebungen treten uns schon
in den frühesten Anfängen der Taubstummenbildungssache ent¬
gegen; und je intensiver die medizinische Wissenschaft in ihrem
neueren Aufschwung der Ohrenheilkunde die Ergebnisse ihrer
Forschungen auf die Praxis des Taubstummenunterrichts zu über¬
tragen suchte, desto schärfer prägte sich im Laufe der letzten
Jahrzehnte in fachmännischen Kreisen die Erkenntnis aus, daß die
Schaffung einer Basis des gemeinsamen Wirkens eine fur beide Teile
unabwendbare Notwendigkeit sei. In Bezug auf das Zusammen¬
wirken der Ohren- und Sprachärzte und Taubstummenbildner ist
diese Grundlage unter genauer Kennzeichnung der Grenzlinien des
medizinischen und fachpädagogischen Einflusses auf die Gestaltung
der Taubstummenbildung durch die Verhandlungen des „Bundes
Archiv für experimentelle undlklinische Phonetik. Bd. I. H. 1. 5