FALSCHE ANSCHAUUNGEN ÜBER DIE TONBILDUNG.
kalischen und dem musikalischen, psychischen Element bei der
Tonbildung auf dem Klavier. Bevor man sich hierüber nicht klar
geworden, ist jede Verständigung unmöglich, jede Erörterung
nutzlos. Auf dem Klavier verhält sich’s mit der Tonbildung nun
einmal anders als auf den Streich- und Blasinstrumenten und
beim Singen. Man würde vergeblich sich bemühen, wollte
man in der Tonbildung auf einem Streich- oder Blasinstrument
die rein physikalische Tonerzeugung vom musikalischen Ausdruck,
selbst vom einfachsten psychischen Element trennen; man
müßte schon den Bogen mit einer maschinellen Vorrichtung
bewegen, das Blasinstrument etwa wie bei der Orgel mit einem
Windapparat anblasen. Bei der Singstimme ist es ganz un¬
möglich, den psychischen musikalischen Einfluß auszuschalten,
(man müßte denn mit einem ausgeschnittenen Kehlkopf ex¬
perimentieren). Der Mensch gibt aber stets, sobald er nur
einen Ton auf einem Musikinstrument spielt, von seinem innern,
seelischen Leben etwas dazu, ein musikalisches Element, einen
Ausdruck, ein Stück Vortrag; nur das Klavier macht eine
Ausnahme, es steht in dieser Beziehung auf der tiefsten Stufe
der Instrumente.
Um das rein physikalische Element auf dem Klavier zu iso- 21.
lieren, müssen wir bei stets gleichbleibender Tonstärke uns auf
eine einzige Taste beschränken. Damit wäre in der Tat das
physikalische Element des Anschlags für sich gleichsam her¬
ausgeschält.*) Die zu beantwortende Fundamentalfrage läßt
sich nunmehr einfach so formulieren: fällt der Ton bei gleich¬
bleibender Anschlagstärke auf der gleichen Taste durch die
*) Um Mißverständnisse zu verhüten, sei betont, daß der hier
gemeinte rein physikalische, scharf dem „Vortrag“ gegenüber-
gestellte „Anschlag" von der physiologischen „Anschlagbewcgung“
zu trennen ist. Der rein mechanisch-physikalische Anschlag an
sich bildet nur einen Teil der Anschlagbewegung, welche ihrerseits
einen psychisch-physischen, den Vortrag also schon vielfach in sich
einbeziehenden Vorgang darstellt.
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Jt 19 J*