ANHANG.
sind. Auch hier können einige gute Ansätze nur augenblicklich
frappieren, bei näherem Eingehen aber die Mängel nicht ver¬
decken. So bricht z. B. gegen Schluß des Buches die Erkenntnis
endlich durch, daß es der Muskelsinn sei (S. 235, 243), welcher
wesentlich die Bewegungen sichert, nachdem schon Zweifel an
der Bedeutung des vorher allein betonten Tastsinnes entstanden
sind, das nie gehörte Wort „Tastschwere“ gebildet worden
und das allein richtige „Druckempfinden“ nur flüchtig (S. 80)
erwähnt ist. S. 253 ganz gegen Schluß heißt es dann mehr rhe¬
torisch als konsequent: „die letzte und höchste Technik ist un¬
bewußt“.
So kommt denn aus der irrigen Überschätzung der Tast¬
empfindungen die mehr als eigentümliche Begriffsbildung „Fühl¬
ton“ (S. 92, 196, 199) zustande, dem als Gegenstück und durch
den Klang streng unterschieden, der „Schlagton“ und der „Ge¬
wichtston“ gegenübergestellt werden. Was soll der Leser sich
bei folgendem Satz denken (S. 75) : „Das Tastgefühl, wie es sich
aus der echten Muskelspannung ergibt, ist das Medium zwischen
Wille und Klang.“?
Gegen Breithaupts vorjährige Schrift besteht die haupt¬
sächlichste Verbesserung darin, daß aus der Technik die Tätig¬
keit der Fingerstreckmuskeln ausgemerzt ist. Die Formulie¬
rung (37) lautet infolgedessen glücklicher. Aber was will das
besagen, wenn Breithaupt an andrer Stelle vor dem Anschlag
mit sogenannter (falscher) Fingerkraft warnt (S. 45) und doch
(S. 42) die Fingerbewegungen in fünf wohl unterschiedenen Mo¬
menten, also als isolierte (S. 235) auf die Finger beschränkte
Bewegungen detailliert beschreibt. Dabei ist der „freie Fall
nur eins von den fünf Momenten, der möglichst schnell aus¬
geführte (S. 43) „Anzug“ oder Hub wird, wenn auch „nicht zu
hoch“, doch geübt und noch dazu mit Hilfe von Exerzitien über
eine Stuhllehne und ohne Klavier. Gegen die Fehler der Ega¬
lisierung findet der Verfasser ganz treffende Worte (S. 46 u. a.),
und doch, — man traut seinen Augen kaum — gibt er (48, 49)
ganz unmißverständliche Anweisungen dazu. Der vierte und
fünfte Finger sollen nämlich zu gleicher lonstärke befähigt,
auch der dritte Finger müsse erst „erzogen“, „förmlich zum
Durchschlag gezwungen“ werden: der fünfte Finger benötige
zu seiner pianistischen Entwicklung einer vollkommnen L m-
bildung. Wer vermag das alles von regelrechter Fingergym¬
nastik und von der „berüchtigten“ égalité zu unterscheiden?