Zur Kenntnis des Stoffwechsels im protrahierten Hungerzustande. 2H
Wechsels ist, insofern noch besonders von Wichtigkeit, als aus
ihrer Beantwortung sich vielleicht wesentliche Gesichtspunkte
für die Kenntnis der Ursache des niedrigen respiratorischen
Ouotienten ergeben könnten, wie er von den verschiedensten
Autoren, auch von mir selbst, in kurz dauerndén Versuchen
bei Infektionskrankheiten beobachtet worden ist.
Aus Anlaß von Gaswechseluntersuchungen bei Katato¬
nischen, über die an anderer Stelle berichtet werden soll, hatte
ich dank des außerordentlich liebenswürdigen Entgegenkommens
von Herrn Professor Nissl und der freundlichen Mühewaltung
seines Assistenten, Herrn Dr. G ruble, Gelegenheit, den Hunger-
Stoffwechsel bei einer abstinenten Patientin in schwerem kata¬
tonischen Stupor zu »untersuchen. Wie aus einer langen Er¬
fahrung der Psychiater hervorgeht, kann man bei sorgsamer
Kontrolle des Körpergewichts Katatoniker, die jede Nahrungs¬
aufnahme verweigern, im Stupor ohne jeden Schaden längere
Zeit hungern lassen, und es ist ebenso wie hier in Heidelberg
an psychiatrischen Kliniken vielfach Sitte, Irre, die sich gegen
Nahrungsaufnahme sträuben, so lange diese ihnen nicht aufzu¬
zwingen, als die Gewichtsabnahme keine bedrohliche ist.
Aus der Krankengeschichte der Patientin möchte ich nur
die notwendigsten Angaben hier anführen:
.M. K., 27jährige Lehrerin an einer Industrieschule. Ein Bruder
leidel an Katatonie, sonst keine Geisteskrankheiten in der Familie.
Erkrankte im Dezember 1908 plötzlich mit Verworrenheit, Des¬
orientiertheit. motorischer Unruhe und läppischem Benehmen.
Vom 7. 12. 1908 — 29. 1. 09 in der psychiatrischen Klinik 'behan¬
delt. Diagnose: Degenerative Psychose(?), wahrscheinlich zu dem Bilde
der Dementia praecox gehörend.
Nach der Entlassung noch immer psychisch krank (Verfolgungs-
idee-n usw.). Ende September 1909 fiel sie in tiefen, fast ganz reaktions-
losen Stupor, der während der ganzen Untersuchungsperiode Undatierte.
Zu Hause die letzten Tage Verweigerung der Nahrungsaufnahme, Urin
war nur durch Katheterisrnus zu erhalten, auf Anrede wurde nicht rea¬
giert, ab und zu leichte Muskelspannungen und Neigung zu Negativismus.
Die Kranke wurde am 1. Oktober in schwer stuporösem
Zustande in die psychiatrische Klinik aufgenommeh und hatte
schon zu Hause seit mehreren Tagen keine* Nahrung mehr
bekommen. Der Hungerzustand dauerte bis zum 18. Oktober,