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y. Fleischl, Theorien der Farbenwahrnehmung.
aller möglichen Farben erklären. *— Es genügt eine Dreiheit von
Empfindungselementen; um alle möglichen Farben zusammenzusetzen.
Natürlich ist es nicht gleichgiltig, wie man diese drei Empfindungen;
die sogenannten „Grundfarben“; wählt. Wenn man z. B. sagen würde,
die eine Farbe soll rot sein, die andere orange und die dritte gelb,
so würde man nicht einsehen können, wie man durch das Zusammen¬
wirken dieser drei Fasergattungen in irgend einem Intensitätsverliält-
niss auf die Empfindung blau kommen sollte. Wenn man sie aber
so annimmt, dass sie im Sonnenspectrum ziemlich weit auseinander¬
liegen, dann ist es vollkommen gleichgiltig, welche man wählt. Ent¬
scheidet man sich z. B. für Gelb, Blau und Purpur, so wäre das schon
ausreichend. Tatsächlich ist es auch schwer, in dieser Beziehung zu
einer bestimmten Wahl zu kommen. Anfänglich wählte Young Rot,
Grün, Blau, dann ersetzte er indess Blau durch Violett.
Wir haben nun die Frage zu beantworten, wie man bei dieser
Annahme alle Erscheinungen der Farbenwahrnehmung erklären kann.
Dass wir eine rote Farbe sehen können, ist leicht verständlich, wenn
wir Nervenenden in der Netzhaut annehmen, die erregt in uns die
Empfindung rot hervorrufen. Dass wir feine rote Objecte genau
sehen können, lässt sich unschwer begreifen, wenn man bedenkt, dass
der dritte Teil aller Endapparate für solche rote Fasern disponibel
ist, da wir überhaupt nur dreierlei Fasern haben. — Dass man grüne
Objekte sehen kann, ist auch verständlich, da wir dafür Fasern haben,
die durch grünes Licht erregbar sind, und erregt im Centrum die
Empfindung grün bedingen; aus demselben Grunde erklärt es
sich, dass wir violette Objekte sehen. Wie sehen wir aber gelb
oder blau u. s. w.? Auch das ist nicht schwer zu verstehen, wenn
man sich vorstellt, dass die rot empfindenden Fasern nicht bloß
angeregt werden, wenn wirklich Licht auf sie fällt, das einer be¬
stimmten Wellenlänge entspricht, sondern dass sie auch — wenn¬
gleich nicht mit gleicher Intensität — erregt werden, wenn Licht
von etwas anderer Wellenlänge auf sie fällt. Nehmen Sie z. B. eine
Stimmgabel von einem bestimmten Ton und schlagen Sie diesen Ton
an, so tönt die Stimmgabel mit einer gewissen Intensität mit. Sie kommt
aber auch in, freilich schwächeres Mittönen, wenn Sie einen Ton er¬
zeugen, welcher von dem Ton dieser Stimmgabel etwas verschieden ist.
Man hat sich also vorzustellen, dass die rot empfindenden Fasern
durch rotes Licht sehr stark erregt werden, durch gelbes Licht
schwächer, durch blaues und violettes Licht noch schwächer. Durch
Licht von welcher Wellenlänge immer aber auch diese Fasern erregt
sein mögen, welches immer die Stärke der Erregung in ihnen sein
mag: der Effekt den diese Erregung im Centrum bedingt, ist aus¬
schließlich die Empfindung: rot. Wenn ich also das Sonnenspectrum
darstelle, und für jede Farbe eine Höhe auftrage, welche andeutet,
wie stark durch Licht von dieser Farbe die rot empfindenden Fasern