20
Fr. Goltz:
Er frass darauf, ohne von diesem Vorfall weitere Notiz zu nehmen,
das blutige Stroh, auf welchem das Fleisch gelegen hatte. An
seinem eigenen Körper findet er sich ebensowenig zurecht, wie in
der Aussenwelt. Um dies deutlich zu machen, stellte ich folgen¬
den Versuch an. Es wurde ihm ein Gurt ähnlich wie ein Sattel¬
gurt um den Bauch gelegt und ein Stück Fleisch von über 500 gr
unten an demselben befestigt, so dass das Fleisch dicht vor den
Geschlechtstheilen frei herabhing. Dann wurde das Thier, welches
hungrig war, sich selbst überlassen. Er roch sofort die grosse
Fleischmasse und suchte sie vor sich auf dem Erdboden. Eine
Reihe von Stunden wanderte er so mit dem Fleischpendel herum,
ohne auch nur den Versuch zu machen, sich hinzusetzen und die
leicht erreichbare Beute zu packen. Dieser Versuch verlief übri¬
gens in ganz derselben Weise bei anderen Thieren mit grossem
doppelseitigem Substanzverlust des Grosshirns. Macht man genau
denselben Versuch an einem unversehrten Hunde, dem man die
Augen zuhält, bis zu dem Moment wo man ihn freilässt, so unter¬
sucht das Thier natürlich sofort den angelegten Gurt, frisst
das Fleisch weg und strebt sich nachher von dem Gurte zu
befreien.
Unser Hund ist äusserst gefrässig. So weit er freiwillige Be¬
wegungen macht, sind diese in der Regel durch den Trieb veran¬
lasst, sich Nahrung zu verschaffen. Wenn er satt ist, liegt er
ruhig da oder steht, ohne sich zu rühren. Ist er sehr hungrig, so
gibt er wohl auch durch Geheul von seinem Nahrungsbedürfniss
Kunde. Die Dinge der Aussenwelt interessiren ihn nur so weit,
als sie essbar sind. Was er nicht verzehren kann, ist ihm so
gleichgültig wie die Luft. Er lässt sich niemals darauf ein, einen
anderen Hund zu beriechen, auch dann nicht, wenn es ein neuer
Ankömmling ist. Selbst eine läufige Hündin beriecht er nicht und
verräth überhaupt keine Spur von Geschlechtstrieb. Gegen den
Menschen verhält er sich ebenso theilnahmlos wie gegen seines
Gleichen. Es gibt kein Mittel ihn zu einem Ausdruck der Freude
zu bringen. Niemals wedelt er mit dem Schwänze oder zeigt
durch eine andere Körperbewegung, dass es ihm angenehm ist,
Futter zu empfangen. Wenn man ihn streichelt, so bleibt er eben¬
falls stumpf.
Er ist weder gewaltthätig noch vertheidigt er sein Eigenthum.
Einem Hunde einen Knochen aus dem Rachen zu nehmen, ist be-