434
Fr. Goltz:
flexbewegung machte ein Hund, dem ich mehre Klemmen an die
Vorhaut gelegt hatte. Er begann sich auf beiden Seiten zu kratzen,
traf aber niemals die Geschlechtstheile, sondern immer nur die Sei¬
tenflächen des Körpers. Ein dritter Hund, dem ich eine Klemme
an’s Ohr gelegt hatte, schüttelte wiederholt den Kopf. Wurde die
Klemme an der Lippe befestigt, so schlug das Thier mit dem ent¬
sprechenden Vorderfuss danach. Das Ergebniss dieser Versuche an
Thieren mit Durchspülung beider Hälften des Grosshirns war also,
dass die andauernden örtlichen Reize zwar sehr zahlreiche, zum
Theil auch zweckmässige Reflexbewegungen auslösten, dass aber
niemals die gereizte Stelle methodisch mit der Schnauze untersucht
wurde, wie dies von unversehrten Hunden doch stets geschieht.
Nachdem ich diese Erfahrungen an doppelseitig operirten Hunden
gemacht hatte, erwartete ich, dass Thiere mit einseitig durchspül-
tem Hirn sich vielleicht an der einen Hälfte ihres Körpers zurecht¬
finden würden und an der anderen nicht. Der Erfolg war indess
ein anderer. Auch Hunde, die nur die Verstümmelung einer Hälfte
ihres Grosshirns erlitten haben, vermögen eine ihnen z. B. auf den
Schwanz oder die Vorhaut oder die Zehen gesetzte Klemme nicht
zu finden. Sie wandern unter Aeusserungen des Unbehagens oder
des Schmerzes umher, führen aber nicht die Schnauze zu der ver¬
letzten Stelle. x\lle diese Thiere hatten mehrere Gramm Gehirn
eingebüsst.
Diese Versuche lehren uns übereinstimmend, dass Hunde mit
verstümmeltem Grosshirn nicht im Stande sind, einen Punkt ihres
eigenen Körpers zum Zweck der Abwehr oder Untersuchung mit
ihrer Schnauze zu erreichen. Die nächstliegende Deutung dieser
Thatsache ist wohl die, dass diese Thiere einen mangelhaften Raum¬
sinn der Haut haben. Ist aber diese Qualität des Tastsinns so
schwer geschädigt, so kann es uns nicht mehr wundern, dass sie
sich in der Aussenwelt so schwierig zurechtfinden können. Die bei¬
den Sinne, welche so innig verknüpft sind mit der Raumvorstellung,
der Gesichtssinn und der Tastsinn, die beiden Sinne, auf welche wir
uns eben bei der Ortfindung verlassen müssen, sind bei ihnen in
gleicher Weise gestört.
Wenn ich im Anfänge dieser Abhandlung bemerkte, dass die
Erscheinungen, welche doppelseitig operirte Thiere darbieten, zum
Theil sehr überraschender Natur seien, so hatte ich dabei diese
eben geschilderten Störungen im Auge. Um diese mit einem kurzen