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Fr. Goltz;
stockblinder alter Hund in seiner Umgebung zurechtfindet, wie
ruhig und vollständig er seine Mahlzeit verzehrt, wie zuverlässig
er auf seinen Herrn zuschreitet, wer dies Alles beobachtet hat,
kann nicht im Zweifel sein, dass bei den verstümmelten Hunden
ausser dem Auge noch mindestens ein anderer Sinn mangelhaft
sein muss.
Warum findet sich ein blinder Hund mit unversehrtem Gehirn
so vortrefflich zurecht? Offenbar weil er die Geruchs- und zum
Theil auch die Gehörswahrnehmungen zu verwerthen weiss zur Be-
urtheilung der Lage der Dinge im Raume. Nun haben wir gesehen,
dass bei den verstümmelten Hunden der Geruchssinn und das Ge¬
hör nicht merklieh geschädigt sind. Warum wissen sie trotzdem
die Wahrnehmungen durch diese Sinne nicht zweckmässig für ihr
Handeln zu benutzen? Den Schlüssel zu einer Antwort scheint mir
folgende Betrachtung zu liefern:
Die Empfindungen, welche uns durch Vermittelung der Organe
des Geruchs und Gehörs zugehen, sind an sich mit keiner festen
Raumempfindung verknüpft. Wir gelangen vielmehr zu einer deut¬
lichen Vorstellung von dem Ort, woher ein Duft ausströmt oder von
der Lage einer Schallquelle erst durch Mitwirkung anderer Empfin¬
dungen. Ein Wild, welches einen verfolgenden Feind wittert, dreht
den Kopf nach allen Seiten, so lange, bis es diejenige Haltung des
Kopfes herausgefunden hat, bei welcher die Geruchsempfindung am
lebhaftesten ist. Es weiss dann, dass der Feind sich vor der Nase
befindet, in der Richtung der sagittalen Achse des Kopfes. Jeder¬
mann weiss, welch groben Irrthümern wir in der Beurtheilung der
Lage einer Schallquelle ausgesetzt sind. Wir wähnen oftmals z. B.
ein Geräusch vor uns zu hören, das hinter uns entsteht. Wollen
wir einigermassen sicher gehen in der Schätzung der Richtung, aus
welcher uns ein Schall trifft, so nehmen wir gleichfalls Bewegungen-
des Kopfes und des Körpers zu Hilfe und beurtheilen dann je nach
der Veränderung, welche die Schallempfindung auf dem einen oder
anderen Ohr erfährt, die Lage der Schallquelle. Selbsverständlich
aber können wir die Empfindungen, welche wir bei einer bestimm¬
ten Haltung oder Bewegung unseres Körpers erhalten, nur dann
richtig verwerthen, wenn diese Empfindungen selbst durch normal
thätige Organe vermittelt werden. Die Kenntniss von der Lage
unseres Körpers im Raume und von der Stellung der verschiedenen
Theile des Körpers zu einander gewinnen wir durch den Tastsinn,