Einfluss des Blutstromes. Piückenmarksreizung.
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an, offenbar weil unter der andauernden ungenügenden Blutversor¬
gung der secretorische Apparat der Leber gelitten hat und sich nur
allmählich wieder erholt.
Bei derartigen Beobachtungen über die Schwankungen der Abson¬
derungsgeschwindigkeit in kürzeren Zeiträumen ist es nothwendig, den
Gallenausfluss möglichst unabhängig von den contraction Elementen der
Gallenwege zu machen; ihre Einwirkung lässt siclg wenn auch nicht be¬
seitigen , so doch vermindern, wenn man die Gallenfistel nicht an der
Gallenblase, sondern an dem Duct, choledochus nach Verschliessung des
Duct, cysticus anlegt. Es ist ferner erforderlich, die Aenderungen der
Ausflussgeschwindigkeit genauer, als durch Wägung des Secretes zu ver¬
folgen , weil bei dieser Bestimmungsweise die Galle doch mindestens 10
bis 15 Minuten hindurch aufgefangen werden muss, um genügende Quan¬
titäten zu erhalten. Man beobachtet am Besten das Vorrücken der Gallen¬
säule in einer mit der Fistel in Verbindung stehenden horizontalen und
in Millimeter getheilten dünnen Glasröhre, oder man lässt nach Röhrig
die Galle aus der Fistelcanüle austropfen und bestimmt die zwischen je
2 Tropfen verfliessende Zeit.
Dass der Grund der Verminderung der Absonderung bei den obigen
Eingriffen in der Verengerung der Eingeweidearterien und der durch sie
herbeigeführten Anämie des Pfortadergebietes liegt, geht schon mit Sicher¬
heit aus dem zeitlichen Zusammenfallen des geringsten Werthes der Ab¬
sonderungsgeschwindigkeit mit dem höchsten Wertlie des Aortendruckes
hervor 1 2, welcher ja bekanntlich bei Reizung des Halsmarkes oder der
sensiblen Nerven, wie bei Strychnin-Injection in Folge hochgradiger Ver¬
engerung der meisten Arterien steigt. — Nicht in demselben Maasse klar
liegt die Ursache der oft, namentlich bei sensibler Reizung auftretenden
primären Beschleunigung des Gallenausflusses. Sie tritt am stärksten ein,
wenn die Gallenwege durch Secret ausgedehnt sind, was man leicht da¬
durch erreichen kann, dass man die horizontale Glasröhre, in welcher die
Geschwindigkeit des Gallenstromes bestimmt wird, mehr oder weniger über
das Niveau der Fistel erhebt, um die Gallenwege unter einen dieser Er¬
hebung entsprechenden Druck zu setzen. Da die Grösse der primären
Beschleunigung des Ausflusses mit der Höhe dieses Druckes, also dem
Ausdehnungsgrade der Gallenwege wächst, handelt es sich offenbar bei
jener anfänglichen Steigerung der Ausflussgeschwindigkeit nicht sowohl
um eine stärkere Bethätigung der Absonderung, als um eine mechanische
Austreibung des in den Gallenwegen gestauten Secretes durch die in ihren
Wandungen gelegnen contractilen Elemente.
Auf Gefässverengerung und Unterbrechung des Blutstromes ist es
auch wahrscheinlich zu beziehen, wenn Pflüger- bei minutenlanger Durch¬
leitung starker electrischer Schläge durch die Leber die Absonderung auf¬
hören oder sich verlangsamen und diese Verzögerung längere Zeit nach
der Reizung fortbestehen sah. Doch spielt dabei möglicher Weise auch
eine directe Insultation der Leberzellen durch die Inductionsströme mit,
1 Kttbe & Szostakowski, Studien d. physiol. Inst, zu Breslau. IV. S. 240. 186S.
2 Pflüger, Arch. f. d. ges. Physiol. II. S. 192. 1869.