6. Cap. Einfluss des Nervensystems etc. "Winterschlaf. 451
folgender elektrischer Reizung der Fusssoklen scheinen mir nur zu
beweisen, dass dann ein eigentliches Wachwerden nicht eintritt, also
auch keine erhebliche Erwärmung zu Stande kommt. Am wachen
Thier bewirkt die Rtickenmarksdurchschneidung gerade so wie bei
anderen Säugethieren schnelle Abkühlung.
Die Erscheinungen des Winterschlafs finden eine unvollkommene
Analogie in denen, welche an anderen Säugethieren durch starke
Wärmeentziehungen eintreten, sei diese nun durch Eintauchen in
kaltes Wasser oder durch Rückenmarksdurcksckneidungen oder durch
Firnissung der Haut bewirkt. Freilich sterben diese Tkiere meist
bei einer Erniedrigung der Temperatur auf etwa 20°, während die
Winterschläfer bis auf nahezu 0° abkühlen können. Aber bei jener
geringfügigen Abkühlung zeigt sich doch schon neben der ausser¬
ordentlich starken Herabsetzung der Athem- und Pulsfrequenz und
einer schlafähnlichen Einstellung der Hirnfunctionen auch die grös¬
sere Dauer des Ueberlebens der Gewebe, wie sie die Winterschläfer
während des Schlafs und die Kaltblüter während der ganzen Dauer
ihres Lebens zeigen. Und so scheint es mir nicht unberechtigt, alle
diese Unterschiede nur als graduelle anzusehen und den Winter¬
schläfern nur eine grössere Anpassung an Schwankungen der Körper¬
wärme zuzuschreiben, als sie die anderen Homoiotkermen besitzen.
Nun ist es gewiss nicht uninteressant, dass nach Horvath die
charakteristischen Erscheinungen des Winterschlafs eintreten, wenn
die Eigenwärme des Tkieres unter 20° sinkt, während gewöhnliche
Homoiotkermen nach den Untersuchungen desselben Forschers bei
Abkühlung bis auf diese Temperaturgrenze sterben. Wir müssen
also annehmen, dass die Nervencentra der Winterschläfer weniger
empfindlich sind gegen Erkaltung, dass sie daher fortfahren in dem
geringen Grade, wie es zur Erhaltung des Lebens nothwendig ist,
zu functioniren. Von einem gewöhnlichen Kaltblüter unterscheidet
sich der Winterschläfer dann dadurch, dass bei so niederen Tempe¬
raturen die Nervencentra des ersteren noch stärker functioniren, so
dass er erst bei noch stärkerer Abkühlung in Schlaf (oder Starre)
verfällt; er theilt aber mit diesem den geringen Stoffwechsel und
die dadurch bedingte geringe Wärmeproduction macht ihn poikilo-
therm. Bei Minderung der Wärme Verluste und dadurch vermehrter
Körpertemperatur aber steigt die Energie des Stoffwechsels beim
Winterschläfer in stärkerem Verhältnis als beim Kaltblüter; deshalb
erwacht er nicht nur, sondern da er nun auch mehr Wärme produ-
ducirt, so steigt seine Eigenwärme erheblich und er wird in be¬
schränktem Sinne homoiotherm.
29*