174 Hensen, Die Physiologie d. Zeugung. 8. Cap. Die Selbstbefruchtung u. Inzucht.
Kerne theilt sich von Neuem, so dass dann drei Kerne in einer
Hülle liegen. Darauf theilt sich der mittlere dieser drei Kerne und
auch die Zelle schnürt sich hier ab. An der Theilungsstelle bildet
sich aber nicht, wie bei gewöhnlichen Theilungen eine Membran,
sondern die Zelle dringt hervor und beginnt die Bildung einer Ver-
grösserungsspore, Fig. 45 A. Die Inhaltsmassen beider Seiten fliessen
heraus, bleiben aber getrennt und umgeben sich mit einer Schleim¬
hülle, die bald beide Massen umgiebt. Beim Heraustreten vereinigen
sich die beiden Zellkerne derselben Seite miteinander. Diese Ver¬
einigung erfolgt aber zuweilen nicht, sondern der eine Zellkern mit
seinem Protoplasma bleibt in der Hülle zurück, wie solches Fig. 45 B
links zu drohen scheint. In diesem Fall stirbt die ganze betroffene
Hälfte ab und allein die andere Seite bildet eine Vergrösserungs-
spore der Art, wie sie Fig. 45 Ce und H zeigt.
Es ist merkwürdig, dass Frau J. Lüders (1. c. S. 12) schon im
Jahre i860 die Beobachtung der Kernverschmelzung bei geschlecht¬
licher Vereinigung machte. Dass es sich hier um eine Befruchtung
handelt, scheint durch diese Kernverschmelzung doch ausser Zweifel
gestellt zu sein. Der Vorgang ist möglichst einfach, eine innigere
Verwandtschaft der copulirenden Theile lässt sich kaum denken.
Von den Kernen wird hier nichts ausgestossen und es scheint zu
folgen, dass die Kernverschmelzung in der That ein sehr wesent¬
licher Theil des Befruchtungsvorganges sei.
Selbst in diesem Fall scheint nach dem früher Gesagten eine
Copulation zweier Individuen, also eine normale Befruchtung, unter
Zurücklassung der beiden zweiten Kerne wohl möglich zu sein.
II. Die Inzucht.
Man hat von der Inzucht, unter welcher Bezeichnung die Verbin¬
dung zwischen Blutsverwandten verstanden wird, die Incestzucht als
Kreuzung nächster Verwandten abtrennen wollen, jedoch die Selbst¬
befruchtung ist der höchste Grad von Inzucht und doch keine In¬
cestzucht! Für die Betrachtung der Inzucht müssen Vergleichungen
und Parallelversuche mit normaler Befruchtung hinzugezogen wer¬
den, auch ist es zweckmässig in diesen Abschnitt noch einige Fälle
von Selbstbefruchtung der Phanerogamen hineinzunehmen.
Obgleich die Schädlichkeit der Inzucht, wie aus den Gesetz¬
gebungen alter Zeiten hervorgeht, der Beachtung nicht entgehen
konnte, ist es doch nicht leicht ein klares und allgemeingültiges
Bild über die Mängel welche dadurch entstehen, zu erhalten. Es