40 Eckhard, Rückenmark und Gehirn. 2. Cap. Reflectorische Erscheinungen.
mir solche Beispiele besonders vorzuführen, welche einerseits ver¬
schiedenartige Wirkungen zeigen, andererseits so methodisch und
klar durchgearbeitet sind, dass man daran zeigen kann, welche Punkte
man bei derartigen Untersuchungen besonders zu berücksichtigen hat
und durch welches Verfahren man sie ins Klare setzt.
Strychnin.1 Die Kenntniss des Strychninkrampfes überhaupt ist
alt, älter als die Kenntniss des reinen Alkaloids.2 Dass es die durch das
Rückenmark vermittelten Reflexe bei decapitirten Thieren, selbst an
Stücken des Rückenmarks, erhöht, ist zuerst von M. Hall gesehen wor¬
den.3 7 Dieser hat dadurch, dass er zeigte, wie mit der Zerstörung des
Rückenmarks die Strychninkrämpfe aufhören, Stannius 4 in der Art,
dass, wenn der Zutritt strychninhaltigen Blutes zum Rückenmark ver¬
hindert wird, die Krämpfe fehlen, und Meyer 5 auf die Weise, dass er
darthat, die motorischen Nerven können durch directe Application des
Giftes auf sie nicht erregt werden, mehr denn ausreichend bewiesen,
dass der Strychnintetanus eine Folge der Wirkung des Giftes auf das
Rückenmark ist. Der letztere suchte ausserdem durch besondere Ver¬
suche noch nachzuweisen, dass die graue Substanz des Marks der
eigentliche Angriffspunkt des Giftes sei. Um zu erfahren, ob das
Strychnin nicht neben seiner Wirkung auf das Rückenmark auch
noch die Erregbarkeit der Nerven erhöhe, hat Meihuizen 6 die Zuckun¬
gen verglichen, welche der n. ischiadicus bei gleicher Stärke des
Reizes vor und nach der Vergiftung giebt. Es fand sich kein Un¬
terschied. Bernstein 1 machte den Versuch, darzuthun, dass auch
die Reizbarkeit der sensiblen Nerven keine Aenderung durch das
Strychnin erfahre. Nach diesem Forscher bekommt das Rückenmark
des Frosches bis auf einen kleinen unteren Abschnitt sein Blut vom
verlängerten Mark her. Theilte er nun das Mark und vergiftete mit
Strychnin, so ‘zeigte der untere Abschnitt normale, der'vordere er¬
höhte Reflexthätigkeit. Da die Blutzufuhr zu allen Hautnerven nicht
alterirt worden war, so hatte das Gift die zum hinteren Rückenmark-
1 Ich ziehe hier das Strychnin nur in seiner Wirkung auf die Reflexe der Skelet¬
muskeln in Betracht, über seine Wirkung auf andere Muskelfasern weiter unten.
2 Magendie, Examen de l’action de quelques végétaux sur la moelle epinière.
Paris 1807 ; Pelletier et Caventou, Memoire sur un nouveau alcali (la strychnine)
etc. Ann. d. chim. et phys. X. p. 142.1818.
3 M. Hall, On the reflexfunction etc. Philos. Transact. Roy. Soc. 1833. II. p. 635.
4 H. Stannius, Ueber die Wirkung des Strychnins etc. Arch. f. Anat. u. Physiol.
1837. S. 223.
5 H. Meyer, Ueber die Natur des durch Strychnin erzeugten Tetanus. Ztschr
f. rat. Med. V. S. 257. 1846.
6 S. Meihuizen, Invloed van sommige Stoffen op de reflexprikkelbaarheid van
het ruggemerg. Groningen 1872. Arch f. d.ges. Physiol. VIL S. 201. 1873
7 Bernstein, Molescb. Unters. X. S. 280.