Motorische und sensible Nervenwege im Gehirn.
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Wenn man diese Angaben mit den Resultaten vergleicht, welche
durch verschiedene Experimente über die Lagerung motorischer Ele¬
mente an einzelnen Hirnstellen, gemäss den vorhergemachten
Angaben, gewonnen worden sind, so findet man, dass man dabei auf
keinen wesentlichen Widerspruch stösst. Man erhält bei Kaninchen
Bewegungen in der vorderen Extremität der entgegengesetzten Seite
bei Reizung des das corpus striatum nach aussen umgebenden Mark¬
streifens und des medialen Theiles des Fusses des Hirnschenkels,
dagegen nicht bei Reizung des corpus striatum ; die Kreuzungen sind
gemäss den Ergebnissen der Experimente in die Brücke und das
verlängerte Mark etwa bis in die Höhe des Atlas zu verlegen.
Türck fand beim Menschen die Körnchenzellen auf nahezu densel¬
ben Wegen, wobei hervorzuheben, dass in Fällen, bei welchen der
Krankheitsherd seinen Sitz in dem Marklager der Grosshirnhemi¬
sphären hatte, dabei das corpus striatum frei1 davon war. Nur
bezüglich zweier Punkte fehlt die Uebereinstimmung in den Resul¬
taten der beiden Untersuchungsmethoden. Türck kennt keine Kreu¬
zungen motorischer Bahnen in der Brücke und verlegt einen Theil
jener in das Rückenmark. Es wäre indess möglich, dass beim Men¬
schen die Lagerung der motorischen Wege etwas abwiche von der
beim Kaninchen. Zu empfehlen wäre, dass bei einem Thiere beide
Untersuchungsmethoden zu gleicher Zeit in Anwendung kämen.
Die Lehre von der Lagerung der Empfindungswege inner¬
halb des Gehirns ist gleichfalls noch in ihrer Kindheit. Da bei
Thieren unsere Schlüsse über bei ihnen bestehende Empfindungen
noch unsicherer als die über willkührlich motorische Bewegungen
sind, so ist hier aus Experimenten nur auf den Verlauf von centri¬
petal leitenden Wegen im Allgemeinen zu schliessen. Gewöhnlich
pflegt man dies bei Versuchen nicht auszudrücken, allein es ist wün-
schenswerth, dies nicht zu vergessen. Das System sämmtlicher in
dem Gehirn angelegter Empfindungswege erscheint uns bei einer
Uebersicht über die hier einschlägigen Thatsachen viel verwickelter
zu sein, als das für die Motilität bestimmte. Nicht genug, dass wir
auch hier die Beobachtung machen, wie nach verschiedenen Ver¬
stümmelungen des Gehirns in den Resten desselben Empfindungen
mit noch mehr oder minder Klarheit ausgearbeitet werden, oder
doch beachtenswerthe Zeichen Vorkommen, dass dem so sei und
1 Damit ist auch die mehrfach gemeldete Erfahrung in Uebereinstimmung, dass
Verletzungen der eigentlichen Kerne des nucleus caudatus und des Linsen¬
kern keine secundäre Degeneration erzeugen, z. B. Paul Berger in den Archives de
Physiologie. 1874. p. 411; Türck, Sitzgsber. d. Wiener Acad. Math.-naturw. Cl. XI.
S. 100. 1853.
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