Angaben über Nervenathmung und andere Stoffwechselvorgänge. 141
selbst die Rede sein. Auf die Unabhängigkeit des Nerven von der
ihn umgebenden Atmosphäre ist schon oben S. 133 hingewiesen wor¬
den, ebenso auf seine G-efässarmuth.
Ranke (a. a. O. S. 36) behauptet auch eine durch Thätigkeit
bedingte Aenderung in der Zusammensetzung des Nerven, zunächst
am Rückenmark, bewiesen zu haben, nämlich eine Abnahme des
Wassergehalts durch Strychnintetanus. Dieser Schluss beruht auf
demselben kritiklosen Schlussverfahren, wie zahlreiche andere An¬
gaben dieses Autors im Gebiete der Muskel- und Nervenchemie. In
12 „geruhten“ Rückenmarken betrug der Wassergehalt 85,6—93,0,
im Mittel 89,6%, in 14 tetanisirten 84,6—91,0, im Mittel 87,8%.
Bei einer Schwankung der Einzelwertke im Betrag von 6,4—7,4%
zieht nun Ranke aus einer Differenz der Mittelzahlen von 1,8%
einen Schluss, auf den dann noch zahlreiche weitere Folgerungen
sich aufbauen.1
Bei dem gänzlichen Mangel an hinreichend begründeten That-
sachen betreffs des Stoffwechsels der Nerven ist man bis auf Wei¬
teres genöthigt, auf gewisse Wahrscheinlichkeiten hinzuweisen. Der
functionelle Umsatz des Nerven ist (von der centralen grauen Sub¬
stanz gänzlich abgesehen) ohne Zweifel höchst geringfügig, wie der
Mangel nachweisbarer Wärmebildung (s. unten sub IL), und die ge¬
ringe Versorgung mit Blut beweisen. Die mit der Erregung ver¬
bundenen Umsetzungen, falls es überhaupt solche giebt, müssen mit
explosionsartiger Geschwindigkeit vor sich gehen, und gewisse, wenn
auch noch nicht hinlänglich gesicherte Analogien mit dem Muskel
deuten darauf hin, dass auch hier die Umsetzung in Spaltung sehr
verwickelter Substanzen besteht, deren Spaltungsproducte bei der
Restitution unter Beihülfe des sauerstoffhaltigen Blutes theilweise
wieder synthetisch verwendet werden.
Eine Wiederverwendung der functionellen Umsatzproducte des Nerven
hat zuerst Henke2 vermuthet, der jedoch die sehr verwickelte Substanz
des Nerven zu Fett und Eiweiss verbrennen liess. In der oben an¬
geführten Form habe ich im Anschluss an die Vorgänge im Muskel die
des Nerven vermuthet.3 Später hat Severini (vgl. S. 133) die oxydative
Sythese durch Ozon künstlich nachahmen zu können geglaubt.
1 Die Angabe von Herold, N. Jahrb. f. Pharmacie XXXHI. S. 147. 1870, dass
ein in Kaliumpyrogallat eintauchender Nerv sich bräunt, wenn dem herausragen¬
den Theil Inductionsströme zugeleitet werden, lässt ungleich näher hegende Deu¬
tungen zu, als die des Verfassers, dass sie eine Sauerstoffausgabe (!) des erregten
Nerven beweise.
2 Henke, Ztschr. f. rat. Med. (3) XIV. S. 363. 1862.
3 Hermann, Untersuchungen etc. n. S. 37, 72. 1867.