80 Grützner, Physiologie der Stimme und Sprache. 3. Cap. Stimmbild, im Lebenden.
Wenn man in einem Kehlkopfe durch Anblasen Töne hervorrufen
will; so muss man auf irgend eine Weise die beiden Giessbeckenknorpel
mit ihren Innenflächen zur Berührung bringen und sie aneinander be¬
festigen. Schon das Gegeneinanderdriicken derselben mit den Finger¬
spitzen und ein geringes Herabziehen des Schildknorpels genügt in den
meisten Fällen; um durch Blasen in die Luftröhre die Stimmbänder in
tönende Schwingungen zu versetzen.
Für seine messenden Versuche verfuhr jedoch Joh. Müller folgen-
dermassen : Der Kehlkopf mit einem Stück der Luftröhre wurde mit der
hinteren Wand auf ein Brettchen gelegt und der Ringknorpel darauf
festgebunden. Durch die Giessbeckenknorpel wurde alsdann ein Pfriemen
gestossen; so? dass ihre vorderen Kanten sich eng berührten. Gekreuzte
Schnüre befestigten sie gegeneinander und weitere Touren den Pfriemen
an das Brettchen, sodass also hiermit das hintere Ende der Lig. vocalia
überhaupt fixirt war.1
Zieht man dann durch den Winkel der Cartilago thyreoidea dicht
oberhalb des Ansatzes der Stimmbänder einen Faden, so kann man, wenn
er über eine Rolle geführt und mit Gewichten belastet wird, den Stimm¬
bändern jede beliebige Spannung ertheilen. Um den Druck der Blasluft
zu controliren, befindet sich seitlich ein Uförmiges Rohr, welches entweder
mit Wasser oder Quecksilber gefüllt wird. — Alle oberhalb der wahren
Stimmbänder befindlichen Theile können, ohne die Resultate erheblich zu
ändern, der Einfachheit und Uebersichtlichkeit halber entfernt werden.
Wird ein derartig präparirter Kehlkopf entweder direkt mit dem
Munde oder vermittelst eines Gebläses angeblasen, dessen Luft man nach
Haeless über laues Wasser streichen lässt, damit die Stimmbänder nicht
vertrocknen und zum Tönen untauglich werden, so hört man, sobald
dieStimmbänder durch Herabziehen des Schildknorpels, wenn auch nur
wenig, gespannt sind, einen Ton, der einigermassen der menschlichen
Stimme gleicht.
Er wird um so leichter erzeugt, die Bänder sprechen um so besser
an, je mehr sie einander genähert sind, je fester also die Giessbecken¬
knorpel an einander anliegen. Thun sie das nicht, so entsteht zwar auch
ein Ton, aber zwischen den Knorpeln entweicht nebenbei unter brodeln¬
dem Geräusch die Luft.
Die Höhe der so erzeugten Töne ist nun bei einem und
demselben Kehlkopfe abhängig von der Grösse der spannenden
Gewichte. Freilich nicht in dem einfachen Verhältnisse, wie das
bei den Saiten der Fall ist, deren Schwingungszahl bekanntlich im
geraden Verhältniss aus den Quadratwurzeln der spannenden Gewichte
steht.’ Die Töne der Stimmbänder steigen nicht so schnell und regel¬
mässig, was aber durchaus nicht befremdlich ist, da sich ja das
1 Ich habe es immer viel bequemer gefunden, die beiden Giessbeckenknorpel
nicht vermittelst eines Pfriemens, der oft zu bedeutend verletzt, sondern vermittelst
der gewöhnlichen Naht, die man mit dünnen chirurgischen Nadeln anzulegen hat,
aneinander zu befestigen.