Klangfarbe und Tonhöhe membranöser Zungen.
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machen und auf ihre geringe Masse ein periodischer Druckwechsel
eher wirksam sein kann, als auf die bedeutende Masse grosser Zungen.
Desshalb sehen wir auch, dass bei den Versuchen Rinne’s die Wir¬
kung der Ansatzstücke um so bedeutender zu Tage trat, je schmaler
der schwingende Zungenrand durch Decken der nicht schwingenden
Theile gemacht wurde.
War beispielsweise die Breite des schwingenden Randes = 3'", so
betrug der Unterschied des höchsten und niedrigsten Zungentones, der
durch passende Verlängerung des Ansatzrohres erreicht werden konnte,
eine Quinte von cis' bis gis'; bei einer Breite von 3 ff'"
» Quarte „ cis' „ fis', „ „ 4'"
» Terz „ cis' „ e', „ 6 ff'"
„ Secunde „ c' „ d'.
Den kleinen, stark gespannten Zungen gegenüber stehen die grossen,
schlaffen, die durch kein Ansatzrohr irgend welcher Art in ihrer Tonhöhe
verändert werden, namentlich wenn sie schon bei massigem Luftdruck ans¬
prechen. Zu ihnen gehören die menschlichen.Lippen, die Stimmbänder eines
aus der Leiche herausgeschnittenen Kehlkopfes und schlaffe, grosse Kaut¬
schukmembranen mit relativ weiter Stimmspalte. Bei all diesen Zungen
ist — mit gewissen gleich zu erwähnenden Ausnahmen — auch die Be¬
wegung der Luft eine mehr remittirende, während sie bei den vorher
erwähnten eine ausgesprochen intermittirende war. Die mittlere Ge¬
schwindigkeit der Luft ist daher caeteris paribus im ersten Fall eine viel
geringere, als im letzten. Man gebraucht um eine Clarinette anzublasen,
sehr wenig Luft, diese aber von starkem Druck; um einen Kehlkopf, der
passend hergerichtet ist, viel mehr, aber von viel geringerem Druck.
Will man daher grössere membranöse Zungen, wie etwa die mensch¬
lichen Lippen oder dicke Kautschukmembranen, in ihren Schwingungen
beeinflussen, so muss man sie ausschlagend stellen und kräftig gegen
einander pressen. Dann wirkt auf sie, damit sie überhaupt tönen, ein
ungemein kräftiger Luftdruck. Die unter diesem Druck entströmende
Luft wird dann durch die gegeneinander schlagenden Lippen ebenfalls
vollständig unterbrochen und der Ton des Ansatzrohres gegenüber ihrem
eigenen zur Geltung gebracht. Zudem schwingen sie in kleineren Ampli¬
tuden und lassen die Luft nicht so leicht abströmen. Bei fast allen Blas¬
instrumenten von Blech, deren Zungen bekanntlich die Lippen des Bläsers
sind, können daher nur diejenigen Töne verwendet werden, welche bei
hohem Druck ansprechen; das sind aber nicht die Eigentöne des Ansatz¬
rohres, sondern dessen Obertöne vom 2. oder 3. an. Die Eigentöne des
Rohres sind vielmehr so unsicher, dass sie von den ältern Musikern den
Namen „Flattertöne“ erhielten.