202
VERHALTEN DES GLOBULINS ZU DEN SÄUREN.
ganz unbekannt gewesen zu sein, da er sonst nicht gewagt hätte die von Schützen¬
berger erhaltenen Präparate „Albuminate“ zu nennen; er würde vielmehr in seinem
damals erschienenen Lehrbuche (1865) eine besser motivirte Erklärung, oder, we¬
nigstens, Beschreibung dessen gegeben haben, was z. B. über Panum’s Acidalbumin
bekannt war. Mit diesem Namen bezeichnet Hoppe-Seyler in seinem Lehrbuche die
prote'inhaltigen Produkte, welche durch die Einwirkung von Säuren aus den natür¬
lich vorkommenden Proteinen entstehen ‘). Es ist klar, dass nicht Schützenber¬
ger, sondern Hoppe-Seyler sich einen Fehler zu schulden kommen liess, und zwar
nicht einen, sondern zwei: einmal indem er Schützenberger’s Präparat für das Neu¬
tralisationsprodukt eines Alkalialbuminats annahm, welchem die von Schützenberger
beschriebenen Reaktionen garnicht eigen sind, das andere—indem er dieses Präparat
ein Albuminat nannte (p. n. 82)! In seiner an Hoppe-Seyler gerichteten Entgegnung
bestätigt Schützenberger (135 p. 163) die von ihm früher angeführten Tatsachen
und erklärt Hoppe-Seyler’s Anmerkung dahin, dass dieser seine Angaben nicht rich¬
tig gedeutet hatte.
Zu derselben Zeit wurde noch in einer anderen Richtung, obgleich in dersel¬
ben Frage, gegen die historische Wahrheit verstossen, infolgedessen eine neue Benen¬
nung für die Neutralisationsniederschläge der säurehaltigen Globulinlösungen auf¬
tauchte, eine Benennung, welche der Grundsubstanz der Muskelfasern in deren na¬
türlichem Zustande zukommt. Indem Kühne im Jahre 1864 (74 p. 11) den Namen
„M y o s i n“ einerseits für die primäre Protei'nsubstanz der Muskeln (.V.V 61—80 p. 46)
vorschlägt, andererseits keine historischen Thatsachen auführt und nicht erklärt, was
er selbst unter den Namen „Syntonin“ versteht (ib.), setzt er den mit der Ge¬
schichte dieser Substanzen vertrauten Leser in nicht geringes Erstaunen durch den
Satz: dass es gerade die Löslichkeit des Myosins in Salzlösungen ist. welche den
Beweis liefert, dass das Myosin mit dem Syntonin nichts ge¬
mein hat 2). Es erweist sich, dass Kühne nicht das, was Lehmann, der diese
Benennung vorgeschlagen hatte (ib. p. 44), sondern die Neutralisationsnie¬
derschläge aus Lösungen von Protein irgend einer Her¬
kunft in 0,1%-iger Salz- oder Milchsäure Syntonin nannte. So er¬
hält man, Kühne’s Angaben nach, Syntonin: 1) aus Myosin, welches in Salzen
gelöst und durch Wasser ausgefällt worden ist (ib. p. 45), nach dessen Auflösung
in verdünnter Salzsäure, wobei durch Neutralisation dieser Lösung sich Synto¬
nin ausscheiden soll (74 p. 11); 2) aus feinzerschnittenen und mit Wasser gewa¬
schenen Froschmuskeln, wobei das Waschen bis zum völligen Verschwinden der
Proteinreaktion in den Waschwässern fortgesetzt wird, nach Auflösung der Muskeln
nach Liebig’s Rat (ib. p. 16, 20) in 10 Vol. 0,1%-iger Salzsäurelösung; 3) aus Blut¬
fibrin nach der Auflösung desselben in Salzsäure derselben Konzentration bei Zim¬
mertemperatur, oder sogar beim Erwärmen (74 p. 19; 75 p. 165); 4) aus mit Was¬
ser verdünntem Eiweiss 24 Stunden nach der Vermischung desselben mit einer ge¬
nügenden Quantität 0,1%-iger Salzäure (74 p. 20); 5) aus einer Lösung in ebenfalls
0,1%-iger Salzsäure eines Niederschlags, der durch Neutralisation einer wässerigen
Lösung nach Lieberkühn bereiteten Ivalialbuminats durch Essigsäure erhalten wurde
(ib. p. 20); 6) im allgemeinen, aus den verschiedensten Proteinpräparaten im fes-
‘) „Acidalbumin bat man die Albuminstoffe :) „Die Löslichkeit des Myosins in Saklösun-
genannt, welche durch Eiwirkung von Sätfre auf gen ist es, welche den entscheidenden Beweis lie-
natürliche Albuminstoffe entstehen“ (60 p. 194). fert, dass dasselbe durchaus Nichts gemein hat
mit dem Syntonin“ (74 p. 11).