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DAS GLOBULIN DES BLUTSERUMS UND DES EIWEISSES.
Erwägung dessen, dass das historische „geronnene Albumin“ der zeitgemässen Vorstel¬
lung von dem geronnenen Eiweissstoff nicht mehr entspricht, andererseits in der Absicht
den unbestimmten Ausdruck „geronnen“ zu vermeiden, möchten wir, ohne dabei
die Rechte der Geschichte zu verletzen, vorschlagen, zeitweilig in allen Fällen, wo
der Eiweissstoff sich in Flocken ausscheidet, das Wort „Fällung“ und für das erhal¬
tene Product den Ausdruck „gefälltes Albumin“ oder „Niederschlag der protein-
haltigen Flüssigkeiten“ zu gebrauchen. Diese Ausdrücke können sowohl der zeitge¬
mässen Vorstellung von dem geronnenen Albumin als auch der früheren Forderung
genügen, nach welcher das geronnene Albumin, um als solches gelten zu
können, nach der Ausscheidung sich in der Mutterlauge nicht
auflös en darf, wie es, dem Anschein nach, zuerst von Hewson (77 p. 106)
charakterisirt wurde. Wenn die älteren Autoren von der „Unlöslichkeit“ des geron¬
nenen Eiweisses auch redeten, so hatten sie vor allem stets die Unlöslichkeit in der
Mutterlauge im Auge. Zwar finden Edlen v. Jacquin (40 p. 171), Fourcroy (50 p. 312)
und John (85 p. 25), dass durch Säuren und Wärme, Klaproth (88 p. 49) und Thomson
(147 p. 36), dass durch Wärme, Säuren und Alkohol gefälltes Albumin auch in Wasser
unlöslich sei; andererseits aber spricht Edlen v. Jacquin von der Löslichkeit des durch
Wärme geronnenen Eiweisses und Serums in concentrirten Alkalien und Säuren
(40 p. 171). Scheele fand seinerseits, dass die durch Einwirkung von Säuren erhalte¬
nen Niederschläge in denselben, doch schon verdünnten Säuren sich lösen (147 p. 36),
während auf die Löslichkeit der alkoholischen Niederschläge in Alkalien Parmentier A
Deyeux hinweisen (118 p. 435). So findet auch Thomson, dass die durch Säuren in den
proteïnhaltigen Flüssigkeiten erhaltenen Niederschläge in concentrirten Alkalien löslich
sind (147 p. 37—8). Später giebt Berzelius eine sehr interessante Charakteristik
des gefällten Eiweisses (geronnenen Albumins) l). Er findet nicht den geringsten
Unterschied zwischen dem geronnenenn Albumin und dem Fibrin (5 p. 69), welch
letzteres, seinen Worten nach, durch Einwirkung von Schwefel-, Phosphor-, Essig-
und Salzsäure sowie von Alkalien, verdünntem Aetzkali und Ammoniaklösung aui-
quillt und dann bei einer hinlänglichen Quantität Wasser sich in denselben auflöst
(ib. p. 38—42). Bemerken wir zugleich, dass Berzelius daselbst auch J. Arnold’s
Beobachtung über die Löslichkeit des Fibrins in Salmiak erwähnt, obgleich es ihm
selbst nicht gelungen war, Fibrin in demselben aufzulösen (ib. p. 44). Ferner nimmt
Berzelius zum Vergleich nicht blos festes Albumin und Fibrin, sondern auch eine
Fibrinlösung in verdünntem Aetzkali, nachdem dieselbe mit Essigsäure neutralisirt
und flltrirt worden war, und findet, dass diese Lösung in Betreff der wichtigsten
Reactionen, mit Ausnahme der Fällung durch Kochen 2), mit den natürlich vor¬
kommenden proteïnhaltigen Lösungen identisch ist.
Auf Grund alles Dargelegten sollte man glauben, dass, wenn das gefällte Albu¬
min sogar in verdünnten Alkalien nicht mehr für unlöslich gelten kann, dasselbe
wenigstens durch seine Unlöslichkeit in Wasser charakterisirt werden könnte. Es
erweist sich aber, dass dies nicht einmal in Fällen von Bildung des sog. „geronnenen“
Albumins gesagt werden kann. Schon Bucquet (50 p. 313) beobachtete, dass mit
Alkohol behandeltes Serum eiuen Niederschlag bildete, der in Wasser löslich
w a r. Diese Beobachtung schien mit den Schlüssen aller andern Autoren im Wi-
*) „In geronnenem Zustand hat das Eiweiss
so vollkommen alle chemischen Eigenschaften des
Faserstoffs, dass ich nicht eine einzige der heim
Faserstoff angeführten wüsste, die nicht eben so
vollkommen für das Eiweiss gelte“----(5 p. 69).
2) „Diese Auflösung zeigt in ihrem Verhalten
eine grosse Aehnlichkeit mit Eiweiss, gerinnt je¬
doch nicht heim Kochen, was aber mit Alkohol
und Säuren gerade wie mit Eiweiss der Fall ist“
(5 p. 42).