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Litteraturbericht
Gesetze, die die Vererbung und phylogenetische Entwickelung be¬
herrschen. Schaefer (Eostock).
G. Eichter. Unterricht und geistige Ermüdung. Eine schulmännische
Würdigung der Schrift E. Kraepelins „Über geistige Arbeit.“ (Sonder¬
abdruck aus: Lehrproben u. Lehrgänge.) Halle a. S., Buchhandlung des
Waisenhauses. (41 S.) 1895.
Hie Würdigung Kraepelins, von der der Titel spricht, führt zu dem
Ergebnis, dafs dessen Behauptungen von der ungemein schädigenden und
geradezu lähmenden Wirkung des #mehrstündigen Schulunterrichts in
seiner gegenwärtigen Handhabung w.eit übertrieben und daher abzulehnen
seien. Diesem Urteil und seiner Begründung kann sich Beferent nur
anschliefsen. Die Versuche, aus deren Eesultaten Kraepelin zu seinen
Folgerungen kommt, sind, wie Verfasser ausführt, erstens viel eintöniger
und langweiliger als irgendwelcher Schulunterricht, und zweitens viel
anstrengender als wenigstens die grofse Mehrzahl der Schulstunden. Sie
können daher für eine Beurteilung der geistigen Ermüdung, die der
Unterricht natürlich irgendwie hervorbringen wird, nicht als mafsgebend
betrachtet werden.
Um die Ermüdungsfrage in engerem Anschlufs an die thatsächlichen
Verhältnisse der Schule zu studieren, läfst Eichter einige Klassen des
von ihm geleiteten Jenenser Gymnasiums Extemporalia mit einfachen
algebraischen Aufgaben und mit griechischen Verbalformen schreiben.
Je zehn bis zwölf Einzelaufgaben werden zu einer Gruppe vereinigt und
dann mehrere solcher Gruppen mit kleinen Pausen dazwischen den
Schülern zur Bearbeitung vorgelegt. Die Einzelaufgaben innerhalb einer
Gruppe differierten etwas von einander, die verschiedenen Gruppen selbst
aber waren möglichst gleichartig gestaltet. Um die Schüler nicht zu
drängen, wurde ihnen keine bestimmte Zeit für die Lösung der Aufgaben
vorgeschrieben, sondern mit dem Einsammeln der Blätter einer Gruppe
gewartet, bis nahezu alle Schüler fertig waren. Zu der Prüfung heran¬
gezogen wurden zwei Tertien an einem Tage in einer der ersten und an
einem späteren Tage in einer der letzten Vormittagsstunden. Auf diese
Weise konnten sowohl die früheren und späteren Leistungen innerhalb ein
und derselben Stunde, wie auch die Leistungen in einer früheren und
einer späteren Stunde mit einander verglichen werden.
Die Eesultate sind bemerkenswert andere als z. B. bei der Benutzung
von Eechenaufgaben. Die Arbeitsgeschwindigkeit zunächst, die
allerdings blofs bei den algebraischen Aufgaben festgestellt wurde, nahm
durchweg zu. D. h. die späteren Aufgaben einer Stunde wurden schneller
erledigt, als die erste Aufgabe derselben Stunde, und ebenso nahmen die
Aufgaben der späteren Vormittagstunde weniger Zeit in Anspruch als
die Aufgaben der früheren Vormittagstunde. Der Arbeitswert (gemessen
durch den Prozentsatz der fehlerhaft bearbeiteten Aufgaben) zeigt kein
so einfaches Verhalten. Innerhalb der einzelnen Stunden nehmen aller¬
dings die Fehler bei den algebraischen Aufgaben fast durchweg allmählich
ab; die Arbeit wird also nicht nur immer schneller, sondern dazu auch
noch besser geleistet. Bei den Verbalformen dagegen findet ein starkes