Litteraturbericht.
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Beihen (Baumreihen) namentlich hei grofsen Anzahlen sehr unbequeme
Zählreihen. Man greift daher zu successiven Beihen (Zeitreihen) und
entgeht so auch der Schwierigkeit, mehrere Zählreihen in Anwendung
bringen zu müssen, wie dies bei manchen Völkern noch heute der Fall
ist. Wesentlich ist für die Zählreihe, dafs sie 1) leicht unterscheidbare
G-lieder besitzt, 2) allgemein bekannt, 3) leicht zu handhaben ist Daher
benutzt man auch die Laute oder Lautkomplexe, welche ursprünglich
nur Glieder des Mafsstabes und selbständige Objekte vorstellten, zugleich
auch zur Bezeichnung des Zahlergebnisses, so dafs sie eine doppelte Be¬
deutung erlangten. Die erste Bedeutung übersieht man gewöhnlich.
Mit Unrecht. Dies erkennt man am besten daran, dafs man mit dem
Vergessen des Zahlwortes auch den ganzen Inhalt vergessen hat, während
dies beim Entfallen eines Wortes für einen Gegenstand nicht der Fall
ist. Auch verlöre eine Person, die alle Bechenoperationen innerhalb
des Zahlraumes von 1 bis 10 geläufig ausführen kann, die Fähigkeit
hierzu, sobald die Bezeichnungsweise geändert würde. — Um schliefslich
jede unnötige Belastung des Gedächtnisses zu vermeiden, hat man das
dekadische Zahlensystem eingeführt — eine ebenso grofsartige
und folgenreiche wie einfache Entdeckung.
Was nun das Wesen und die Bedeutung der Zahlen anlangt,
so sind sie keine sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der Dinge,
sondern Beziehungsvorstellungen. Daher sind sie auch sowohl
auf innere als äufsere Gegenstände anwendbar. Trotzdem giebt es aber
neben den Zahlvorstellungen auch Zahlbegriffe, sobald man von
den individuellen Eigentümlichkeiten der einzelnen ZahlvorStellungen
abstrahiert. Andererseits setzt jedoch jedes Zählen Objekte voraus, so
dafs jede Zahl benannt ist und es reine Zahlen nicht giebt.
Da die Beihenfolge der gezählten Objekte für das Zahlergebnis
gleichgültig ist, so kann jeder beliebige unter den zu zählenden Gegen¬
ständen einen repräsentativen Wert für alle übrigen annehmen, und die
Zahl wird zum Multiplikator. Es sind daher in der Entwickelung
des Zahlbegriffs zwei Stufen zu unterscheiden: 1) die Zahl als Summe,
2) als Multiplikator.
Der Zweck des Zählens ist allerdings Zurückführung eines Un¬
verständlichen auf ein anderes, aber auf ein Geläufigeres und Gewöhn¬
licheres, worin ja das Wesen alles Erkennens besteht.
In dem zweiten Teil untersucht Verfasser das Bechnen im Zahl¬
raume von 1 bis 10. Diese Ausführungen betreffen vor allem die Kunst,
das Zählen zu lehren, und haben vornehmlich praktisch-pädagogischen
Wert. Es wird in Konsequenz obiger Sätze vor allem die Notwendigkeit
betont und die Methode angegeben, den Kindern durch eine Baumreihe
in zweckmäfsiger Weise das Bewufstsein beizubringen, dafs die Zahlen
Beziehungsvorstellungen sind. Sonst lernen die Kinder nicht das
Zählen überhaupt, sondern nur das bestimmter Objekte. Auch mufs
man die doppelte Bedeutung der Ziffern berücksichtigen und zur Anzahl¬
bezeichnung die Cardinalia, zur Anzahlermittelung die Ordinalia ver¬
wenden. Nach diesen Gesichtspunkten wird die Methode angegeben, das
Addieren und Subtrahieren, das Multiplizieren und Dividieren zu lehren.