Über die Wirkung kurzdauernder Lichtreize auf das Sehorgan. 89
wenigstens nahezu komplementär gefärbt gesehen; ich notierte
bei Anwendung spektraler Lichter bei ein wirkendem Licht Orange
das nachlaufende Bild als bläulich, bei G-rünlichgelb schön blau,
bei Gelblichgrün blauviolett, bei Blaugrün schön rosa, bei Blau
gelb, bei Violett schwach gelblich oder grünlich. Einzig bei
blauem Licht konnte die Färbung zuweilen zweifelhaft sein
und (besonders bei sehr starkem Licht) auch das sekundäre
Bild bläulich erscheinen. Diese Abweichung von der Regel
dürfte wohl daher zu erklären sein, dafs an sich die durch
Stäbchenerregung ausgelöste Empfindung nicht genau farblos,
sondern leicht bläulich zu sein scheint, somit die komplemen¬
täre Gelbfärbung unter besonders ungünstigen Bedingungen
steht.
Es wird jetzt zunächst zu betrachten sein, wie die Er¬
scheinung von der Intensität des einwirkenden Lichtes abhängt,
wobei im Auge zu behalten wäre, dafs das Gesagte sich auf
kurze Dunkeladaptation (4—10 Almuten) bezieht. Hier ist nun
anzuführen, dafs, um das Phänomen in der geschilderten Weise
hervorzubringen, das einwirkende Licht selbstverständlich nicht
zu schwach, aber auch nicht zu stark sein darf. Schwächt
man während der Beobachtung das Licht ab, so erlischt alsbald
das sekundäre Bild, und zwar lange ehe das primäre un¬
sichtbar wird. Macht man den Versuch mit sehr intensivem
Lichte, so erhält man gleichfalls eine andere Form der Er¬
scheinung. Man sieht nämlich jetzt das primäre Bild weit
mehr in die Länge gezogen, und das sekundäre schliefst sich
ihm direkt an. Dies ist etwa die Erscheinungsweise, welche
Exneb, beschrieben und abgebildet hat; die gleiche bekam auch
ich bei den ersten Orientierungsversuchen zur Anschauung,
deren ich früher kurz Erwähnung that und bei denen das in
einer Kugel gespiegelte Licht eines Auerbrenners als Objekt
diente.1 Bei der Projizierung eines Lichtbildes habe ich so
hohe Lichtstärken nicht erreichen können, wohl aber das
Gleiche auch jetzt wieder beobachtet, wenn ich das leuchtende
Diaphragma nicht auf dem Schirm abbilden liefs, sondern
direkt im Spiegel betrachtete. Wenn ich solche Lichtstärken
wähle, dafs der gelbliche Schweif fast die ganze Kreisbahn
1 Über den Ein flufs der Adaptation auf Licht- und Farbenempfindung und
über die Funktion der Stäbchen. Freiburg i. B. 1894. S. 11.