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J. v. Kries.
achter, gleichermafsen auch Hess und Bosscha, sehen diese zweite
Helligkeitsempfindung durch ein deutliches Intervall des Dunkels
getrennt; Exner konnte eine solchen Zwischenraum nicht be¬
merken. Bei Anwendung farbiger Lichter ferner beschreiben
die meisten Autoren die zweite Empfindung als der Farbe des
angewandten Lichtes komplementär. Bidwell findet diese
Hegel allerdings nicht ganz ausnahmslos und genau zutreffend,
doch stimmt mit ihr die Mehrzahl seiner Angaben. Hess da¬
gegen beschreibt das sekundäre Bild als dem primären gleich¬
artig gefärbt. Eine Erklärung dieser doppelten Beaktionsweise des
Gesichtsapparates war bis vor kurzem nicht versucht worden.
Nachdem aber andere Thatsachen zu der Vermutung geführt
hatten, dafs die Zapfen einer- und die Stäbchen andererseits
zwei einigermafsen voneinander unabhängige lichtempfindliche
Apparate darstellten, beide zur Auslösung von Empfindungen
befähigt, war es nahe gelegt, das primäre Bild als einen durch
die Heizung der Zapfen, das verspätete sekundäre als einen
durch die Heizung der Stäbchen bewirkten Empfindungseffekt
anzusehen. Hierfür schien vor allem der Umstand zu sprechen,
dafs, wie Bidwell und ich nahe gleichzeitig fanden, die Er¬
scheinung nur im roten Lichte fehlt, eben jenem, dem gegen¬
über wir auch aus anderen Gründen die Stäbchen als un¬
erregbar uns denken müssen.
Ein weiteres Studium des Gebietes erschien bei dieser
Sachlage zum Teil wegen der eben erwähnten Widersprüche der
verschiedenen Autoren erwünscht, zum Teil aber auch im
Hinblick auf ein sich gleich auf drängendes Bedenken. Nach
den Beobachtungen Bidwells entsteht die sekundäre Erregung
etwa um V*—1U Sekunden verspätet gegenüber der primären.
Man kann bemerken, dafs eine so stark verzögerte Erregung
des Stäbchenapparates überall da, wo er allein funktioniert,
nämlich in einem schwachen Licht, « welches keine Unterschei¬
dung von Farben mehr gestattet, beim „Dämmerungssehenu,
wie ich es genannt habe, einen schwerwiegenden Nachteil
darstellen würde. Es wird sieh Gelegenheit finden, auf diesen
Punkt später zurückzukommen. Vorderhand ist klar, dafs eine
weitere Untersuchung der Phänomene mit Hücksicht auf theo¬
retische Fragen hauptsächlich darauf zu achten hatte, wie die
Erscheinung von der Art und Stärke des benutzten Lichtes
und ganz besonders auch, wie sie von dem jeweiligen