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J. v. K'i'ies.
Ich habe diese Erscheinung, wiederum für blaues Licht, in
Figur 2 abzubilden versucht; man beachte, dafs das Blau hier
auf eine schmale vorauslaufende Sichel reduziert ist, welche in
der That tief farbig erscheint, während gleich dahinter das glän¬
zende Weifs die Farbe nahezu oder ganz verdeckt. Die übrigen
Farben, wiederum mit alleiniger Ausnahme des Rots, zeigen
ganz das Gleiche. In Vergleich zu demjenigen Phänomen,
welches bei helladaptiertem Auge beobachtet wird, scheint also
hier einerseits etwas Neues hinzu, andererseits etwas in Fortfall
gekommen zu sein. Es schien mir zunächst wichtig, festzustellen,
ob letzteres wirklich der Fall sei. Man konnte nämlich auch
denken, dafs vielleicht der durch die lange Adaptation neu-
aufgetretene leuchtende Schweif das sekundäre Bild nur über¬
decke und vermöge seiner überwiegenden Helligkeit unbemerk¬
bar mache. Es liefs sich in sehr einfacher Weise feststellen,
dafs dies nicht der Fall ist, sondern das sekundäre Bild
wirklich durch die lange Dunkeladaptation fortfällt. Wenn man
nämlich nur ein Auge in diesen Zustand versetzt und ab¬
wechselnd mit dem einen und dem anderen Auge beobachtet,
so sieht man sehr deutlich mit dem einen den hellen weifsen
Schweif, mit dem anderen das sekundäre Bild. Beobachtet
man alsdann binokular, so sieht man in grofser Deutlichkeit
beides. Dabei ist oft zugleich bemerklich, dafs der weifse
Schweif sich gar nicht bis an diejenige Stelle hin erstreckt,
welche das sekundäre Bild einnehmen würde, sondern eine
kürzere Erstreckung hat. Hieraus scheint mir zu folgen, dafs
die analoge Erscheinung, wenn sie im dunkeladaptierten Auge
in ähnlicher Weise und besonders im gleichen Zeitintervall
aufträte, auch sichtbar sein müfste.
Die nächstliegende Deutung dieser Thatsache wird offenbar
die sein, dafs durch die lange fortgesetzte Dunkeladaptation
die Reaktionsweise der Stäbchen sich so modifiziere, dafs nicht
nur die Stärke ihrer Reaktion wächst, sondern zugleich auch
die Promptheit, oder dafs die anfänglich bedeutende Ver¬
zögerung, mit der sie in Erregung geraten, mit zunehmender
Adaptation immer geringer wird. In der That spricht die ge¬
nauere Betrachtung auch der zuletzt beschriebenen Erscheinung
ganz dafür, dafs der weifse Schweif der Erregung der Stäbchen
seine Entstehung verdankt. Auch hier tritt das Weifs mit
einer deutlichen, wenn auch freilich nur noch geringen Ver-