Die geometrisch-optischen Täuschungen.
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möge seiner Lage als Fortsetzung jenes Gebildes erscheint,
dessen Ausdehnung aber gröfser bezw. geringer ist, als sie
.sein würde, wenn auch jene gleichförmige Verengerung oder
Erweiterung in ihm oder bis zu ihm hin (gleichförmig) sich
fortsetzte, so wird das fragliche Raumelement über- bezw.
unterschätzt. Der Grund liegt darin, dafs die Weite des Raum-
elementes als eine Abweichung von einer in einem Ganzen
einmal vorhandenen Weise oder Richtung des räumlichen Ge¬
schehens, also als Ergebnis einer besonderen modifizierenden
— ausdehnenden, bezw. begrenzenden — Thätigkeit erscheint.
28. Gegenfall: Teilung. Stellt sich eine begrenzte
Ausdehnung dar als Teil einer anderen, so scheint sie not¬
wendig auch nur mit einem entsprechenden Teile der aus¬
dehnenden Kraft dieser letzteren ausgestattet. Umgekehrt
erscheint die ausdehnende Kraft des Ganzen aus Teilen als
ein entsprechendes Mehrfaches der ausdehnenden Kraft der
Teile. In diesem Falle kommt das unter 24 Gesagte zur
Geltung. Es gilt die Regel: Der in einem Ganzen ent¬
haltene oder eingeschlossene Teil wird nach Mafs-
gabe seiner Kleinheit unterschätzt; gleichzeitig wird
das Ganze aus Teilen überschätzt. Sind die Teile ver¬
schieden grofs, so nehmen die gröfseren, je mehr sie sich der
Gröfse des Ganzen nähern, ihre ausdehnende Kraft also, im
Vergleich mit der ausdehnenden Kraft der kleineren, gleich¬
falls als ein Mehrfaches erscheint, an der Überschätzung des
Ganzen teil.
29. Successive Teile der Fläche. Erscheint die ver¬
schiedene Weite, welche die in irgend einer Richtung sich
folgenden Teile eines flächenhaften Ganzen senkrecht zu
dieser Richtung besitzen, unter dem Gesichtspunkt der ver¬
schieden starken Einschränkung der gleichen ausdehnenden
Kraft, so scheint zugleich — sekundär — die zugehörige ein¬
schränkende oder begrenzende Thätigkeit in den engeren Teilen
entsprechend gröfser, als in den weiteren. Daraus ergiebt sich
unmittelbar eine erhöhte Tendenz der Ausdehnung der engeren
bezw. eine verminderte Tendenz der Ausdehnung der weiteren
Teile in der Richtung, in der die Teile sich folgen. D. h.
die engeren Teile eines flächenhaften Ganzen werden
in beiden Richtungen überschätzt, die weiteren in
beiden Richtungen unterschätzt.