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ZUR FRAGE VOX DER ALKOHOLISCHEN GAEHRUNG.
gen direkt von der benutzten Menge des Kochsalzes ab und. was uns besonders
beachtenswerth erscheint, ist der Umstand, dass diese Fälligkeit des NaCl bald
beschleunigend, bald verlangsamend auf die Fermentationsprocesse zu wirken
sich sowohl bei organisirten, geformten als auch bei unorganisirten, ungeform-
ten Fermenten erweist. So hat z. B. Scherer die Fähigkeit des NaCl die
Gerinnung der Milch aufzuhalten schon im 184Î bewiesen, und im Jahre 1870
hat Alex. Schmidt 2) durch seine Versuche mit der dialysirten Milch diese
die Gerinnung der Milch aufhaltende Fähigkeit des NaCl endgültig bestätigt
und zu gleicher Zeit festgestellt, dass das Kochsalz ebenso auf das Pepsin
wirke. Nasse 3), Haidenreich 4), Grützner 5) haben ihrerseits die Fähigkeit
des NaCl verändernd auf Ptyalin, das diastatische Ferment der Pancreas und
das Pepsin festgestellt, während Justus Liebig ,;) ebenfals einen verändernden
Einfluss des Kochsalzes auf die durch Hefezellen hervorgerufene alkoholische
Gährung feststellte. Diese bald beschleunigende, bald verlangsamende Wirkung
des NaCl auf Fermentationsprocesse erklärt sich ganz natürlich, wenn wir an-
nehmen, dass das Wesen jeder Gährung in einer Bewegung best*dit, die in
jedem Moleküle der dem Fermentationsprocesse unterliegenden Substanz hervor¬
gerufen wird, wie ich das schon im Jahre 1876 in meiner Arbeit < lieber die
Bedeutung der unorganischen Nalirungsmitteh ausgesprochen habe. Kleinere
Mengen des NaCl wirken beschleunigend oder verstärkend auf Fermentations¬
processe in Folge ihrer Fähigkeit einen thätigen Antheil in den Erscheinungen
der Diffusion und der Osmose (Vierodt 7), Ludwig 8), Liebig ;l), Graham 1U),
Zabelin *') und And.) zu nehmen. Damit aber wird die Frage noch nicht
erschöpft, denn wir wissen ja, dass selbst ein Zusatz von kleinen Mengen des
Kochsalzes die Hydrationsverhältnisse mehr oder weniger stark verändert, da
Carl Schmidt12) durch seine schönen Untersuchungen schon bewiesen hat, dass
ein Theil des NaCl im Vergleiche mit einem Theile Eiweiss 8—10 mal im hr
Wasser bindet und das hat eine grosse Bedeutung, da wir wissen, dass bei
verschiedenen Fermentationsprocessen die Hydration eine wichtige Rolle spielt.
Die verlangsamende Wirkung von grösseren Mengen des NaCl gegenüber den
verschiedenen Fermentationsprocessen erklärt sich vollkommen natürlich L; da¬
durch. dass, indem das Kochsalz grosse Mengen von Wasser bindet, es gerade
') Scherer, Chemisch-physiologische Untersuchungen. Liebig’s Annalen der Chemie und
Pharmacie. 1841. Bd. 40.
-) Al. Schmidt, Ueber die Beziehung des Kochsalzes zu einigen thieriseheu Fermenta¬
tionsprocessen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. 1876. Bd. XI.
3) Nasse, Untersuch, über die ungeformten Fermente. Ibidem. 1875. B. XI.
4) Haidenreich, Beiträge zur Kenntniss des Pankreas. Ibidem. 1875. Bd. X.
5) Grützner, Notizen über einige tingeformte Fermente. Ibidem. 1S76. Bd. XII.
6) Liebig, Ueber Gährung, Quelle der Muskelkraft und Ernährung. 1870.
7) Vierordt, Transsudation und Endosmose. Wagner’s Handwörterbuch der Physiologie. B. III.
8l Ludwig, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 1852.
9) Liebig, Untersuchungen über einige Ursachen der Säftebewegung im thieriseheu Orga¬
nismus. 1848.
10) Graham, Flüssigkeits-Diffusion angewandt auf Analyse. Annalen der Physik und Chemie
von Poggendorlf. 1861.
“) Zabelin, Medicinsky Westnik 1866—1867, pag. 427 und 329.
l2) Carl Schmidt und Bidder, Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel. 1852. Von dem¬
selben, Charakteristik der epidemischen Cholera gegenüber verwandten Transsudationsano¬
malien. 1850.