(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Berlin)
Die Genauigkeit der Intonation beim Gesänge
Von
Alfred Guttmann
Mit 5 Abbildungen im Text
Vorbemerkung
Die Aufgabe, zu untersuchen, wie genau man einen inten¬
dierten Ton treffen kann, war ursprünglich im wesentlichen vom
stimmphysiologischen Gesichtspunkt aus in Angriff genommen
worden (1909). Im Laufe der Untersuchungen stellte sich aber
heraus, dafs das Problem viel mehr in das Gebiet der Sinnes¬
physiologie und Psychologie gehört. So wurde später (1925) auch
die Intonation von Instrumentalsten untersucht. Es ergaben
sich hierbei neue Deutungsmöglichkeiten, auch für reinmusika-
• •
lische Fragen, wie die sog. „Vierteltonsmusik“. Uber einige, den
ersten Teil dieser Untersuchungen betreffende, Resultate ist in
der Festschrift für Carl Stumpe1 vom Verf. kurz berichtet, nach¬
dem die erste Mitteilung auf dem Berliner Kongrefs der Gesell¬
schaft für exper. Psychologie (Jahresbericht 1912) erfolgt war.2
I. Das Problem
Die Frage, wie genau der ausübende Sänger die vorgestellte
Tonhöhe treffen kann, enthält eine Unklarheit in musikalischer
Hinsicht. Bekanntlich musiziert man in Europa seit einigen
hundert Jahren in der reinen (mathematischen) Stimmung oder
1 A. Guttmann, Beobachtungen und Erfahrungen über Intonation, er¬
schienen in Beiträge zur AnatPhysiol, usw. des Ohres, der Nase und des
Halses, herausgeg. v. Passow u. Schaefer 15 (1/6). 1920.
2 Vgl. auch A. Guttmann, „Zur Psychophysik des Gesanges.“ Beiträge
zur Akustik und Musikw. Herausgeg. v. C. Stumpf. Heft VII.
Zeitschr. f. Sinnesphysiol. 58.
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