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N. Poschoga
kommen bewufst. Dieses Bewufstsein der wirklichen Bewegung
stellt aber nicht ein unmittelbares, unbedingtes, elementares Be¬
wegungserlebnis dar, sondern es wird durch die Augenbewegung
bedingt, und ist ihrem Tatbestände nach kompliziert.
Wiederholen wir noch einmal denselben Versuch, aber ver¬
längern wir unsere Beobachtung bis zu der zweiten Laterne L2
und halten wir dann auf einmal unseren Blick auf L2 haften.
Solange unser Blick sich mit T von Lx bis L2 bewegt, beobachten
wir, dafs sich Lx und L2 naturgemäfs in der entgegengesetzten
Richtung bewegen. Sobald aber unser Blick an L2 hängt, fängt
T an sich zu bewegen, während und L2 still stehen bleiben.
Auch diese Beobachtung bestätigt also die Annahme, dafs
die physiologische Bedingung für die Entstehung einer elemen¬
taren Bewegungswahrnehmung in einer Verschiebung des Netz¬
hautbildes im indirekten Sehen besteht, unabhängig davon, ob
es eine wirkliche oder nur eine Scheinbewegung ist. Darin be¬
steht ein ohne weiteres klarer physiologischer Unterschied zwischen
der elementaren Bewegungswahrnehmung im indirekten Sehen,
und einer Wahrnehmung mittels des verfolgenden Blickes. Ein
noch viel gröfseres Interesse bieten aber diese Beobachtungen in
rein psychologischer Hinsicht. Wir erleben nämlich diese zwei
verschiedenen Bewegungsarten ganz anders. Die eine nehmen
wir rein passiv, unmittelbar, elementar und sogar in einer ob¬
jektiveren Weise wahr, als die zweite, obwohl sie eventuell auch
eine Scheinbewegung sein kann. Die zweite Bewegungswahr¬
nehmung ist dagegen aktiv, ihrem Inhalt nicht elementar, und
als Bewegungserlebnis nicht unmittelbar, nicht so evident wie
die erste. Indem bei der ersten Wahrnehmung die Bewegung
selbst ihr Inhalt oder ihr Objekt ist, bildet ihn bei der zweiten
nicht die objektive Bewegung selbst, sondern eher der sich be¬
wegende Gegenstand. Da die Bewegung aber kein Gegenstand,
sondern ein Zustand ist, können wir diese elementare Bewegungs¬
wahrnehmung auch als eine formelle bezeichnen. Die zweite
Bewegungswahrnehmung ist aufserdem noch um so komplizierter,
als in ihr noch ein Vorstellungskomplex darinsteckt. Dies sollte
übrigens noch experimentell untersucht werden.
4. Die passive Entstehungsweise der einfachsten Bewegungs¬
wahrnehmungen kann auch aus der folgenden Serie von Beob¬
achtungen verfolgt werden. Stellen wir uns vor, dafs wir uns
auf irgend welche Weise, jedoch besser passiv fortbewegen, und