Zur Lehre vom Grün
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nicht nur gelbes Licht ausstrahlt, ist die Verwendung des Prismas
ja unumgänglich.
Diese Art der Ermöglichung der Nebeneinanderdarbietung
von durchscheinenden Spektralfarben und gewöhnlichen unter
auffallendem Tageslicht stehenden Pigmentfarben erweist sich
als äufserst zweckmäfsig für das genauere Studium des Verhaltens
der Spektralfarben.
Y. Die theoretische Stellung des „zweiten Grün“
Wir kommen nun zu den theoretischen Folgerungen, welche
sich aus den dargelegten Beobachtungstatsachen ergeben.
Hervorgehoben wurde bereits, dafs der Übergang vom reinen
Gelb zum reinen Schwarz durch völlig unerwartete Farbtöne, eben
durch Grün erfolgt.
Ganz konsequent und rücksichtslos ausgedrückt müfste ge¬
sagt werden: es gibt überhaupt kein Gelbschwarz und
kein Schwarzgelb in dem Sinne, wie es etwa Blaugrün oder
Grünblau als Zwischenfarben zwischen Blau und Grün gibt,
sondern statt Gelbschwarz tritt etwas ganz anderes, nämlich Grün,
auf. Dort wo das Farbenoktaeder oder jeder andere Farbkörper
Schwarz-Gelb erfordert, ist in der Wirklichkeit Grün vorhanden.
Man könnte nun freilich ein wenden, dafs der Umstand, dafs
man weder bei Mischung der Pigmente, noch durch Klexmalerei,
noch am Farbkreisei Schwarz-Gelb hersteilen kann, noch keinen
absoluten Beweis dafür darstelle, dafs es überhaupt nicht existiert.
Aber wie in aller Welt soll man es erzeugen, wenn nicht
auf jene Arten. Auch in Ostwalds Farbenatlas gibt es kein
Schwarz-Gelb.
Ist das Fehlen von Schwarz-Gelb nun eigentlich blofs in
einem Mangel unseres Sinnesorgans begründet oder ist es eine
in der Struktur der Gegenstandsschicht, die wir Farben nennen,
gelegene Tatsache?
Ich möchte das erste glauben. Rein begrifflich kann man
sich eine Gelb — Schwarz = Reihe recht gut denken. Es wäre eben
eine Farbenreihe, die vom reinsten Gelb zum tiefsten Schwarz
ohne Übergang in einen neuen dritten, den grünen Farbenton
führen würde, genau sowie es bei anderen Farben solche Reihen
gibt. Würden uns solche Farbtöne in der Wirklichkeit begegnen,
so wüfsten wir sie ohne weiteres im allgemeinen Farbenschema
unterzubringen.
Zeitsehr. f. Sinnesphysiol. 59
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