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(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Marbürg.)
Die Beobachtung von Tiefeneffekten bei binokularen
Bewegungsnachbildern
Von
H. K. Müller,
Assistenten am Institut
Mit 6 Abbildungen im Text
Der Zustand, in dem das Auge sich nach längerer Betrach¬
tung einer bewegten Vorlage während des Bestehens des nega¬
tiven Bewegungsnachbildes befindet, kann dahin umschrieben
werden, dafs die einzelnen Punkte des alterierten Netzhautbe¬
zirkes fliefsend ihren Raumwert ändern. Denn jeder objektiv
stillstehende Aufsenpunkt scheint, obwohl er im ruhig gehaltenen
Auge auf ein und derselben Netzhautstelle abgebildet bleibt, in
stetiger Bewegung, dem Sinne der Reizbewegung entgegen, zu
wandern. Denkt man sich nun einander entsprechende Bezirke
der beiden Netzhäute, z. B. mit Hilfe des Haploskopes, durch
gegensinnig bewegte ebene Vorbilder im entgegengesetzten Sinne
umgestimmt, so müfste die zunächst identische Abbildung
eines binokular beobachteten ruhenden Objektpunktes (infolge
der sich vollziehenden Umwertung der Lokalzeichen) zu einer
mehr und mehr disparaten werden, der Objektpunkt bei ruhig
gehaltenen Blicklinien also eine Scheinbewegung in der Rich¬
tung der Tiefe ausführen. Vorausgesetzt ist hierbei, dafs es
unter den genannten Umständen zu einer Verschmelzung
der beidäugigen Bewegungseindrücke im Bewegungsnachbild
kommt und diese nicht im Wettstreit miteinander abwechseln
oder sich gegenseitig auslöschen. Bei gleichstarker Alterierung
beider Netzhäute und symmetrischer Konvergenz der Blicklinien
müfste die Tiefenbewegung in der Richtung der Körpermediane
Zeitschr. f. Siimesphysiol. 59