Abhängigkeit der Empfindungszeit und des zeitlichen Verlaufes usw. 3
bestimmte Zeit vergehen. Im Gebiete des Gesichtsinnes mufs
der Lichtreiz erst die lichtempfindlichen Elemente in Erregung
versetzen, dieser ErregungsVorgang mufs durch Vermittlung ver¬
schiedener Nervenzellstationen zu dem in der Grofshirnrinde ge¬
legenen Sehzentrum geleitet werden, das Sehzentrum mufs erst
auf die ihm zugeleiteten Erregungsvorgänge ansprechen, bevor
die Empfindung auftritt. In der Tat sind eine Reihe wichtiger
Hinweise auf diese Zeit vorhanden. Diesbezüglich sei insbesondere
auf die interessante Veröffentlichung von C. Pulfbich 1 hingewiesen.
Aber erst durch die von mir gefundene Methode 2 wurde es mög¬
lich, im Gebiete des Gesichtsinnes die Empfindungszeit zu messen
und gleichzeitig dem zeitlichen Verlauf der Gesichtsempfindung
einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen. Der Vorteil
der Methode liegt darin, dafs Beobachtung und Messung im
Gebiete des Gesichtsinnes vor sich gehen und die „Komplikation“
vermieden ist. Im übrigen entspricht die verwendete Versuchs-
anordnung in mehrfacher Beziehung der von Wundt angegebenen
Methode.
Ein Lichtspalt, der sich mit gleichmäfsiger und mefsbarer
Geschwindigkeit hinter einem Schirm bewegt, taucht am Rande
des Schirmes auf und beginnt in diesem Zeitmoment auf das
Auge zu wirken, er wird aber erst empfunden, wenn die Emp¬
findungszeit vorüber ist, das äufsert sich darin, dafs der vordere
Rand des dem bewegten Lichtspalt entsprechenden Lichtstreifens
im Moment seines Auftauchens eine Strecke weit vom Rande
des Schirmes entfernt ist. Diese Strecke läfst sich messen, und
aus diesem Wert und der Spaltgeschwindigkeit die Empfindungs¬
zeit berechnen.
Dafs es sich bei der beobachteten Verschiebung tatsächlich
um die Empfindungszeit handelt, konnte noch durch besondere
Versuche festgelegt werden, bei welchen ein feststehender und
ein bewegter Lichtspalt gleichzeitig dem Auge dargeboten wurden.
Beide Spalte tauchen gleichzeitig auf, nur dafs der vordere Rand
des bewegten Lichtstreifens eine Strecke weit von dem Rande
des Schirmes in Erscheinung tritt, wenn beide Spalte auftauchen,
also jene Verschiebung auf weist, welche als Ausdruck der Emp-
1 C. Pulfrich, Die Stereoskopie im Dienste der isochromen und hetero-
chromen Photometrie. Naturwissenschaften. Jg. 10. Heft 25 u. ff. p. 553. 1922.
* Friedrich W. Fröhlich, Über die Messung der Empfindungszeit.
Zeitschr. f. Sinnesphys. 54. S. 58. 1922.
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