Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 231
Verfahren beschrieben, das die reine Un ter schied s empfind¬
lich keit des Temperatursinnes unter möglichster Einschränkung
von Zeitverlusten nach der Methode der richtigen und falschen
Fälle zu bestimmen erlaubt. Weder ist, wie meist angegeben
wird, die Unterschiedsempfindlichkeit gegen in der Nähe der
normalen Hauttemperatur gelegene Reiztemperaturen eine be¬
sonders feine, noch trifft das Weber-FechnerscIle psycho¬
physische Grundgesetz für den Temperatursinn zu; sondern
die Unterschiedsempfindlichkeit ist gegenüber allen Reiztempe¬
raturen absolut konstant und unabhängig von den Reizwerten.
Der Empfindlichkeitsunterschied der Temperaturnerven zweier
Hautgebiete ist ebenfalls absolut konstant und vom Reizwert
unabhängig. Einem gleichen Reiz Zuwachs entspricht ein
gleicher Erregungs Zuwachs der Temperaturnerven unab¬
hängig von der Empfindlichkeit der beteiligten Nerven und
der gewählten absoluten Reizstärke.
3. Gegenüber diesen zwischen Reizwert und Empfindlichkeit
im Bereich des Temperatursinnes bestehenden einfachen psycho¬
physischen Konstanten bildet allein die Adaptation eine
variable Gröfse. Die Adaptation beruht auf einer Veränderung
der Erregbarkeit der Nerven, ihrer Umstimmung. Die Um¬
stimmung setzt sich aus zwei Phasen zusammen, der Herab¬
setzung der Erregbarkeit (= Abstimmung) unter dem Einflufs
des Reizes, der Rückkehr der Erregbarkeit zur konstanten Emp¬
findlichkeit (= Anstimmung) als Folge der Reizaufhebung. Der
Abstimmungsverlauf ist abhängig vom Reizwert des Reizes; sein
Endergebnis ist unter der Einwirkung stärkerer Reize eine
konstante Empfindung, unter der Einwirkung schwacher Reize
vollkommene Empfindungslosigkeit. Die Anstimmung ist gegen¬
über dem gleichen und dem stärkeren Reiz vom Reizwert un¬
abhängig; nur gegenüber dem schwächeren Reiz ist der Reiz¬
wert von mit der Reizstärke steigendem Einflufs. Die An¬
stimmung vollzieht sich um so schneller, je kürzer die Reizdauer
ist und (im allgemeinen, aber nicht ausnahmslos) je tiefer die Haut¬
temperatur nach Absetzen des Reizes liegt. Die Umstimmung
beginnt sich erst nach einem bis zu 30 Sekunden währenden
Zeitraum geltend zu machen, während dessen die Temperatur¬
empfindungen eine konstante Intensität aufweisen.
Die Umstimmung umfafst eine Veränderung der Erregbar¬
keit der Nerven gegenüber allen Reiz werten bis zur Stärke des