Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatursinnes. II 213
Das Ergebnis der so erzielten Kurven ist, dafs dieWieder-
anstimmung der Temperaturnerven im allgemeinen
um so rascher fortschreitet, je höher die Zwischen¬
temperaturen liegen. Eine Sonderstellung nimmt dabei
nur die Zwischentemperatur von 30° bei der Anstimmung der
Kältenerven ein, die unter dem Einflufs dieser (der normalen
Hauttemperatur entsprechenden) Zwischentemperatur ganz un¬
gewöhnlich langsam zu ihrer konstanten Empfindlichkeit zurück¬
kehren. Diese Ergebnisse sind deshalb bemerkenswert, weil
danach die Zwischentemperaturen gar keine B e -
ziehungenzu ihrem eigentlichen Reiz wert erkennen
lassen, da sie ja die Anstimmung der Temperaturnerven eher
gleichsinnig beeinflussen, während sie vom Gesichtspunkt
ihres Reizwertes aus die Kältenerven doch umgekehrt wie
die Wärmenerven beeinflussen müfsten.
Die gesamten Anstimmungskurven sind von prinzipieller metho¬
discher Bedeutung für alle quantitativen Untersuchungen im Bereich
des Temperatursinnes. Erhält man doch bei ihrer nicht genügenden Be¬
rücksichtigung in allen serienweisen Untersuchungen, wie beispielsweise
schon den Ermittlungen der Unterschiedsempfindlichkeit, nichts als
Situationswerte — als das Ergebnis der Stärke, der Dauer und des Zeit¬
abstandes des zuvorgehenden Temperaturreizes. Für den Zeitabstand, in
dem gleichstarke Temperaturreize unbedenklich aufeinander folgen können,
haben wir aus dieser Erkenntnis heraus schon in allen unseren früheren
Arbeiten bei Anwendung kurzfristiger Temperaturreize von nur einigen
Sekunden Dauer als Regel eine Zeit von 5 Minuten eingehalten. Bei dem
vorliegenden langfristigen Reizen reicht aber offenbar dieser Zeitbetrag
noch gar nicht einmal immer aus. Für die Zeitökonomie günstiger liegen
die Versuchsbedingungen, bei einer je höheren Hauttemperatur die An¬
stimmung abgewartet wird, da ja deren Geschwindigkeit im allgemeinen
mit steigender Hauttemperatur beschleunigt wird. Wir haben uns diesen
Umstand dadurch zu Nutzen gemacht, dafs wir die Hauttemperatur der
Versuchshand nach jeder Temperaturreizung möglichst hoch gehalten
haben. Deshalb wurde zu den Abstimmungsversuchen nach bis zu
3 Minuten dauernden Kältereizen die Versuchshand stets während 5 Minuten,
und nach den vereinzelten Kältereizungen von 4 und 5 Minuten Reizdauer
zur Vorsicht sogar während 10 Minuten in Wasser von 38° erwärmt. Bei
den Wärmereizen haben wir aus denselben Gründen die vollkommene
Wiederanstimmung der Wärmenerven in Wasser von 35° bzw. 30° während
5 Minuten abgewartet. Eine Betrachtung der Anstimmungskurven zeigt,
dafs wTir mit der Wahl dieser Zeiten und Hauttemperaturen die ausreichende
Gewähr für den tatsächlich jeweils erfolgten Wiedereintritt der Konstanz
der Empfindlichkeit hatten, wie ihn unsere Methoden erfordern. Dafs die
Vergleichshand zu dem Zeitpunkt ihrer Reizungen sich stets im Zu-