Psycho-physische Konstanten u. Variablen des Temperatur Sinnes. I 103
weichenden Standpunkt gelangt waren. Entscheidend für unsere
Bemühungen wurde erst der Umstand, dafs es uns zum ersten
Male gelang, sämtliche Beziehungen zwischen Reiz¬
stärke und Erregungsintensität der Temperatur¬
neryen quantitativ mefsbar zu gestalten, für die stets
inkonstanten, flüchtigen Temperaturempfindungen nach Mafs und
Zahl genau verfolgbare klare Gesetzmäfsigkeiten zu entwickeln.
Zum besseren Verständnis dieser übrigens recht einfachen
Gesetzmäfsigkeiten, deren Inhalt und Bedeutung wir als das
„Gesetz derkonstantenSumme (bzw. konstanten Differenz)“
an verschiedenen Stellen 1 2 3 4 5 eingehend besprochen haben,
geben wir nochmals unseren Grundversuch wieder.
Grundyersuch
Die linke Hand wird bis zur Handwurzel in Wasser von 17° getaucht
und 3 Minuten darin belassen, gleichzeitig befindet sich die rechte Hand
in Wasser von 35°. Nunmehr wird die linke Hand in Wasser von 37° ge¬
taucht und gewartet, bis die langsam anschwellende Wärmeempfindung
nach ca. 3 Sekunden ihr Maximum erreicht. Erst jetzt wird die rechte
Hand aus dem Wasser von 35° ebenfalls in das Wasser von 37° getaucht
und das Maximum der Wärmeempfindung, das an dieser Hand schon in
Bruchteilen von 1 Sekunde erreicht wird, mit der maximalen Wärme¬
empfindung an der rechten Hand verglichen: man kann dann keinen
Unterschied in der Intensität der beiden Wärmeempfin¬
dungen feststellen, trotzdem die linke Hand um 20°, die rechte Hand
nur um 2° erwärmt wird!
Aus der leicht ersichtlichen Verallgemeinerung dieses Ver¬
suches lassen sich eine Anzahl Sätze ableiten, von denen wir die
für die Einführung in die Adaptation wichtigsten hier noch
einmal kurz zusammenfassen möchten:
1. Bis zum Eintritt des Empfindungsmaximums entspricht
die Stärke einer Temperaturempfindung genau der tatsächlichen
Temperatur der Nervenendorgane, in vollkommener Unabhängig¬
keit von der Gröfse bzw. Geschwindigkeit ihrer Temperaturver¬
änderung.
2. Die Nervenendorgane erreichen infolge ihrer aufserordent-
1 H. Hahn, Pflügers Arch. 215, 1—2 (1926), 122.
2 H. Hahn, K. Boshamer und Ingeborg Goldscheider, Pflügers Arch. 217,
1 (1927), 36.
3 H. Hahn, Dtsch. med. Wschr. 15 (1927).
4 H. Hahn, Arch. f. Psychol. 65, 1/2 (1928), 41.
5 K. Strauss und H. v. Versen, Z. Sinnesphysiol. 58, 166 (1927).