Die von Chr. Ladd Franklin aufgestellte Theorie der Farbenempfindungen 79
II. Sehr sonderbar ist die Ansicht, die F. hinsichtlich der
Schwarzempfindung vertritt.1 Diese Empfindung soll nicht
das psychische Korrelat eines psychophysischen Prozesses sein, wie
ein solcher den übrigen Gesichtsempfindungen zugrunde liege,
sondern unter allen Gesichtsempfindungen eine Sonderstellung
einnehmen, indem sie das psychische Korrelat von einer wesent¬
lich anderen psychophysischen Situation, nämlich der Abwesen¬
heit jedweder psychophysischen Erregung eines Bezirkes der
kortikalen Sehrinde sei. The sensation of black is a definite
sensation attached to a cortical situation of inactivity or rest.
Since black is thus the result of zero stimulus, it follows again
that there is only one intensity of blackness. There can be but
one degree of zero. Wenden wir dieser eigentümlichen Ansicht
gegenüber ein, dafs man ja z. B. die Schwärzlichkeit eines auf
dunklem Grunde befindlichen, aus schwarzem Papier oder Sammet
bestehenden Feldes dadurch bedeutend steigern könne, dafs man
den dunklen Grund durch einen weifsen ersetzt, dafs also auch
die Schwarzempfindung Abstufungen ihrer Intensität zeige, so
wird uns entgegnet, dafs diese Steigerung der Schwärzlichkeit nur
daraus entspringe, dafs durch die Kontrastwirkung der weifsen
Umgebung die auf die Entstehung von Weilserregung gerichteten
Antriebe gehemmt würden, welche für das schwarze Feld teils
infolge noch vorhandener schwacher Lichtausstrahlung teils infolge
innerer Vorgänge (das sog. Eigenlicht der Netzhaut) noch vor¬
handen seien. Kurz die Differenzen, welche die verschiedenen
Glieder der schwarweifsen Empfindungsreihe hinsichtlich ihres
Schwärzlichkeitsgrades darbieten, sollen ausschliefslich darauf be¬
ruhen, dafs für die verschiedenen Glieder der Reihe die Weifs¬
erregung verschieden stark ist, die neben der unveränderlich
bleibenden Grundlage der Schwarzempfindung, dem Zustande
der psychophysischen Inaktivität, noch vorhanden ist. Hierzu
ist folgendes zu bemerken.
Erstens ist mir unverständlich, wie in einem kortikalen Organ,
in dem eine, wenn auch nur schwache, Weifserregung besteht,
zugleich der Zustand der psychophysischen Ruhe oder Inaktivität,
die Grundlage der Schwarzempfindung, bestehen könne. Der Be¬
griff eines ruhenden oder unerregten kortikalen Organes, in dem
1 Man vergleiche Ladd Franklin in The American Journal of Physio¬
logical Optics 4 (1923), S. 414 f. und 6 (1925), S. 455, ferner M. R. Neifeld in
The Psychol Rev. 31 (1924), S. 498 ff.