Beiträge zur Physiologie der Gemeingefühle.
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Berührungsempfindung bei Verstärkung der Kraft in Druck über¬
ging, um nach einem Stadium des Unangenehmen schmerzhaft
zu werden.
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Zum Uberflufs ist die Behauptung v. Feeys im eigenen
Lager widerlegt .worden. Stein 1 (von der Nervenabteilung von
v. Weizsäcker) teilt mit, dafs er bei Fällen von Trigeminusstörung
Druckempfindung bei vorhandener Schmerzhaftigkeit für stärkere
Reize festgestellt habe.
Eine weitere Stütze für die v. FREYsche Schmerztheorie bildet
die von Kiesow gefundene angebliche Analgesie eines gewissen
Gebietes der Mundschleimhaut bei vorhandener Druckempfindlich¬
keit. Obwohl an Kiesows Mitteilung schon auffällig war, dafs
an der schmerzunempfindlichen Stelle Kälte- und Wärmeschmerz
empfunden werden sollte, ist diese Behauptung als eine Tatsache
kritiklos durch die Literatur geschleppt worden. Die auf meine
Veranlassung von Hahn und Hajen 2 ausgeführten Untersuchungen,
an denen ich mich selbst beteiligte, haben dann ergeben, dafs
die Schmerzempfindlichkeit der Schleimhaut der Mundhöhle unter
physiologischen Verhältnissen nirgends wesentlich von derjenigen
der Körperoberfläche ab weicht. Stellen mit aufgehobener Schmerz¬
empfindlichkeit bei erhaltener taktiler Sensibilität konnten nicht
aufgefunden werden usw.
Ich kehre noch einmal zur Latenz der durch einen schwachen
mechanischen Reiz ausgelösten Schmerzempfindung zurück, welche
v. Frey auf den verzögerten peripherischen Erregungsvorgang
in spezifischen Schmerznerven bezieht, während ich in ihr einen
Ausdruck des Summationsvorganges sehe. Ich habe bereits in
meinem „Schmerzproblem“ S. 12 ff. einen Einwand erhoben,
welcher m. E. hinreicht, um die v. FREYsche Theorie zu ent¬
kräften. Da mein Gegner es nicht für erforderlich gehalten hat,
ihn auch nur zu erwähnen, so bin ich leider gezwungen noch
einmal in aller Kürze das Argument zu wiederholen. Es handelt
sich um neue Untersuchungen, deren Ergebnis ich im Archiv
f. d. ges. Physiol. 168, 1917 veröffentlicht habe. Eine mechanische
Reizung der Haut erzeugt aufser der primären Empfindung nach
kurzem zeitlichen Intervall eine zweitphasische entweder schmerz-
1 Klin. Woch. 1925. Nr. 17. Vgl. meine ähnliche Angabe in „Schmerz¬
problem“ S. 39.
2 Arch. f. d. ges. Physiol., 204. 1924.