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Litteraturbericht.
erstrebt wird. Dieses „dynamische Gleichgewicht“ mufs nun durch
starke äufsere Erschütterungen, wie sie namentlich das stampfende
Schiff den Reisenden mitteilt, erhebliche Störungen erleiden. Insbesondere
wird das Nervensystem in Anspruch genommen, da es nicht nur wie die
anderen Organe direkt leidet, sondern ihm durch Vermittelung der sen¬
siblen Bahnen auch noch abnorme Sensationen von den letzteren zu-
fliefsen. Verfasser betrachtet die einzelnen Symptome der Seekrankheit
im wesentlichen als koordiniert, direkt durch die Gewebsreizung der
betreffenden Organe bedingt. Aufser der Seekrankheit giebt es noch
andere Formen von Kinetosen, d. h. von krankhaften Reaktionen des
Körpers auf gewisse passive Bewegungen. Zu diesen gehören das Rück¬
wärtsfahren, Schaukeln, Bewegungen im Kreise, Fahren im Elevator,
kurz solche Bewegungsformen, welche von den uns gewohnten mehr
oder weniger abweichen Schaefer (Rostock).
Maack. Schreibstörungen, verursacht durch isolierte zentrale Alexie.
Centralbl. f. NervenheilMe. u. Psychiatr. VII. Bd. S. 1—11. 1896.
Interessante Beobachtung einer nach apoplektischem Insult zurück¬
gebliebenen isolierten Buchstabenblindheit, die zur Folge hatte, dafs der
betreffende Patient, während er sowohl spontan und nach Diktat, als
auch die Namen gesehener Objekte richtig schreiben konnte, beim Ab¬
schreiben nur dann richtig schrieb, wenn er, ohne die Vorlage zu lesen,
die Buchstabenzeichen abmalte; las er die Vorlage, so schrieb er falsch,
entsprechend dem auf die Hirnläsion bedingten Falschlesen, mit anderen
Worten: schrieb er das, was er sah? so schrieb er richtig, nnd schrieb
er, was er las, so schrieb er unrichtig. Peretti (Grafenberg).
Hermann Gutzmann. Heilungsversuche bei zentromotorischer und zentro-
sensorischer Aphasie. Arch f. Psychiatr. Bd. XXVIII. Heft 2. S. 354
bis 378. 1896.
Verfasser hielt bereits vor zwei Jahren im Verein für innere Medizin
in Berlin einen Vortrag über die Heilung zentromotorischer und zentro-
sensorischer Aphasie. Mittlerweile hatte derselbe Gelegenheit, seine
Methoden weiter auszubilden und deren praktische Verwendbarkeit an
neuen Fällen zu erproben. Von Wichtigkeit ist der Umstand, dafs es
sich stets um durch längere Zeit unverändert bestandene Aphasien handelt,
eine spontane Heilung also in allen Fällen ausgeschlossen erscheint.
Die zur Behebung der zentromotorischen Aphasie angewandte
Methode bezweckt „die Hervorrufung und Einübung eines neuen mo¬
torischen Sprachzentrums.“ Die Laute werden zuerst einzeln durch
Nachahmung der charakteristischen Artikulationsstellungen, dann in Ver¬
bindungen geübt. Ein Spiegel leistet bei diesen Sprechübungen wichtige
Dienste. Im Anfang ist in der Regel das Gedächtnis für die Laute ein
schlechtes; „mit der gröfseren Geschicklichkeit wächst auch das Ge¬
dächtnis für die vorgeschriebenen Bewegungen.“ Neben den Sprech¬
übungen werden auch linkshändige Schreibübungen vorgenommen Es
zeigt sich hierbei ein deutliches Parallelgehen der Besserung in Sprache
und Schrift. Hervorzuheben ist der Umstand, dafs die Patienten wohl