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Die Raubthiere. Seeottsrn. — Kalan.
Die beste Beschreibung des Seeotters hat Steller gegeben, und noch heut zu Tage hat kein
andrer Naturforscher dieser vortrefflichen Schilderung Etwas zuzusetzen oder abzusprechen vermocht.
Dies mag mit darin seinen Grund haben, daß der Seeotter schon seit hundert Jahren in stetem Ab¬
nehmen begriffen ist, und sich gegenwärtig bei weitem nicht mehr mit der Bequemlichkeit beobachten läßt,
mit welcher Steller Dies konnte. Es bleibt deswegen nichts Andres übrig, als die Steller'sche Be¬
schreibung hier wörtlich folgen zu lassen.
„Der Pelz des Seeotters," sagt er, „dessen Haut lose aus dem Fleische aufliegt, und sich während
des Laufens überall bewegt, übertrifft an Länge, Schönheit und Schwärze das Haar aller Flußbiber
soweit, daß sie nicht mit ihm in Vergleichung kommen können. Die besten Felle werden auf Kamt¬
schatka zu dreißig, in Iakutzk zu vierzig, an der chinesischen Grenze aber gegen Tausch in Waaren zu
80 bis 100 Rubel bezahlt. Das Fleisch ist ziemlich gut zu essen und schmackhaft. Die Weibchen
haben es aber viel zarter und sind gegen den Gang der Natur kurz vor und nach der Paarungszeit
am allerfettesten und schmackhaftesten. Die noch saugenden Jungen, welche ihrer schlechten Felle
Der Kalan oder großer Seeotter (Enchydrls Lutra).
wegen Medwedki oder junge Bären genannt werden, können, sowohl gebraten, als gesotten, immer
mit einem Sauglamm um den Vorzug streiten. Das Männchen hat ein knöchernes Geburtsglied, wie
alle anderen warmblütigen Seethiere. Das Weiblein hat zwei Brüste neben der Scham. Sie begehen
sich auf menschliche Weise."
„Im Leben ist der Seeotter ein ebenso schönes und angenehmes, als in seinem Wesen lustiges
und spaßhaftes, dabei sehr schmeichelndes und verliebtes Thier. Wenn man ihn laufen sieht, übertrifft
der Glanz seiner Haare den schwärzesten Sammt. Am liebsten liegen sie familienweise; das Männchen
mit seinem Weibchen, den halberwachsenen Jungen oder Koschlockis und den ganz kleinen Säuglingen,
Medwedkis. Das Männchen liebkost das Weibchen mit Streicheln, wozu es sich der vorderen Tatzen
wie der Hände bedient, und legt sich auch öfters auf dasselbe, und sie stößt das Männchen scherzweise
und gleichsam aus verstellter Sprödigkeit von sich und kurzweilt mit den Jungen wie die zärtlichste
Mutter. Die Liebe der Eltern gegen ihre Jungen ist so groß, daß sie sich der augenscheinlichsten
Todesgefahr für sie unterwerfen und, wenn sie ihnen genommen werden, fast wie ein kleines Kind laut
zu weinen beginnen. Auch grämen sie sich dergestalt, daß sie, wie wir aus ziemlich sicheren Beispielen