Beschreibung des eigentlichen Dachshundes. Gute und üble Eigenschaften.
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besäße, unter keiner Bedingung auf seinen Herrn zu achten und das Erjagte gewöhnlich anzuschneiden.
Alle Dächsel besitzen eine sehr feine Spürnase und ein außerordentlich gutes Gehör, dagegen ein ver-
hältnißmäßig schlechtes Gesicht. Muth und Verstand im hohen Grade, Tapferkeit und Ausdauer sind
ihnen allen eigen. So können sie zu jeder Jagd gebraucht werden, denn selbst auf Schweine gehen
sie tolldreist los und wissen sich auch prächtig vor dem wüthenden Eber zu schützen, welcher sie ihres
niedern Baues halber ohnehin nicht so leicht fassen kann, wie einen größern Hund. Ihre Klugheit ist
außerordentlich. Sie sind gelehrig, treu, munter und angenehm, wachsam und von Fremden schwer
zu Freunden zu gewinnen. Aber diesen vortrefflichen Eigenschaften stehen eine Menge anderer ent¬
gegen, welche dem Menschen unter Umständen die Dächsel verleiden können. Sie sind nämlich auch
listig und diebisch, und im Alter werden sie ernst, mürrisch, bissig und oft tückisch, ja sie knurren und
fletschen die Zähne sogar gegen ihren eignen Herrn. Gegen andere Hunde sind sie äußerst zänkisch
und kampflustig und streiten fast mit jedem, welcher sich ihnen naht, selbst mit den größten Hunden,
die ihnen eine offenbare Niederlage in Aussicht stellen. Bei solchen Beißereien mit großen Hunden
sind sie wahrhaft niederträchtig listig; denn sobald der große Hund es versucht, sich zu vertheidigen,
Dächsel.
werfen sie sich auf den Rücken und versuchen den Gegner in die empfindlichsten Theile des Unterleibes
zu beißen, um ihn hierdurch zu verscheuchen oder zu zwingen, von fernerm Kampfe abzustehen.
Bei der Jagd hat man nun vollends seine Noth mit ihnen. Der Dächsel nimmt die Verfolgung
des Wildes mit einer unglaublichen Gier auf und begiebt sich mit Hast in die ärgsten Dickichte, sie
mögen aus einer Baumart bestehen, aus welcher sie wollen; er findet. Dank seiner vortrefflichen
Sinne, auch bald ein Wild auf; aber nun vergißt er Alles. Er mag früher wegen seines Un¬
gehorsams soviel Prügel bekommen haben, als er ertragen kann — gleichviel; der Jäger mag pfeifen,
rufen, nach ihm suchen, — hilft Alles Nichts: solange er das Wild vor Augen hat oder dessen Fährte
verfolgt, geht er seinen eignen Weg mit einer Willkür, welche bei Hunden geradezu beispiellos ist.
Stundenlang folgt er dem aufgescheuchten Hasen, stundenlang scharrt und gräbt er an einem Bau,
in welchen sich ein Kaninchen geflüchtet hat; unermüdlich jagt er hinter dem Reh drein und vergißt
dabei vollständig Raum und Zeit. Ermüdet er, so legt er sich hin, ruht aus und setzt dann seine
Jagd fort. Erwischt er ein Wild, z. B. ein Kaninchen, so schneidet er es an und frißt-im günstigsten
Falle die Eingeweide, wenn er aber sehr hungrig ist, das ganze Thier auf. Er weiß, daß er dafür
bestraft werden wird, er versteht genau, daß er Unrecht thut; doch das ist ihm ganz gleichgiltig: die
Jagdbegierde überwindet alle Furcht vor Strafe, alle besseren Gefühle.