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Wie schon aus der Ecker’sehen Beobachtung beim Hingerichteten hervorgeht
entspricht die Ausdehnung der gelben Farbe des Epithels der regio olfactoria des
Menschen an Umfang durchaus nicht dem Bezirke der Nasenschleimhaut, innerhalb
welches sich die Zweige der Nervi olfactorii ausbreiten. Ich konnte verschiedene
Male die Beobachtung machen, dass an der Nasenscheidewand wie an der oberen
Muschel des Erwachsenen Stellen, an denen in der Tiefe der Schleimhaut Riech-
nervenästchen verliefen, von einem gemeinen Wimperepithel bekleidet waren ohne
zwischengelagerte Riechzellen, während unterhalb dieser Stellen wieder fleckweise
das wimperlose Epithel mit Riechzellen auftrat. Wie schon erwähnt, kommen in
dieser Beziehung sehr bedeutende individuelle Verschiedenheiten vor, welche zum
grossen Theile auf die oberflächlichen Zerstörungen zurückzuführen sein mögen, welche
die so häufigen catarrhalischen Processe auf der Nasenschleimhaut anrichten. In
dieser Beziehung wird es interessant sein zu vernehmen, dass ich in der regio ol¬
factoria eines 16jährigen Mädchens über eine grössere Strecke ein geschichtetes, wim¬
perloses Pflasterepith elium antraf*). Sicher hängen die ausserordentlichen Va¬
riationen, welche in Betreff des Riechvermögens bei verschiedenen Menschen Vor¬
kommen, mit solchen Abweichungen in der Bildung des Epithels der regio olfactoria
zusammen, und werden spätere Untersuchungen diesen Punkt mehr und mehr ins
Auge zu fassen haben. Wie weit aber die regio olfactoria beim Menschen normaler
Weise reichen müsse, wird man aus dem Verhalten der Schleimhaut des neugeborenen
Kindes oder solcher jugendlichen Individuen zu bestimmen haben, an denen nach¬
weislich catarrhalische Processe noch keine eingreifenden Veränderungen erzeugten,
an denen, wenn ich meine Erfahrungen an neugeborenen Kindern zu Grunde legen
darf, ähnlich wie bei Säugethieren eine scharfe, der Siebplatte des Siebbeines un¬
gefähr parallel laufende Linie sowohl an der oberen Muschel als an der Nasen¬
scheidewand das Wimperepithel von dem wimperlosen der regio olfactoria scheidet.
Die Präparation der Riechnerven mit Messer und Pincette hat bekanntlich ihre
grossen Schwierigkeiten. Die Zartheit und Durchsichtigkeit der Nerven im frischen
Zustande erlaubt kaum eine Darstellung der gröberen Aeste, ohne dass dicke Binde-
gewebsscheiden um dieselben erhalten blieben. Die feineren Verzweigungen sind aber
mit blossem Auge oder der Loupe mittelst gewöhnlicher Präparationsmethoden gar nicht
*) Hier können auch die Beobachtungen Hitlroih’s (Deutsche Klinik 1855, Nr. 44, p. 497) erwähnt
werden, welcher hei erworbenem Mangel eines grossen Theiles der äusseren Nase das Wimperepithel der unteren
Muscheln sich in Pflasterepithel umwandeln sah.