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Das Achsengebilde vergröfsert sich nach der Länge und
Dicke und verzweigt sich nach und nach, also ganz ähnlich
dem Niederwuchs. Es soll aber ein wesentlicher Unterschied
zwischen dem Wachsthum des ‘Stengels und dem der Wur¬
zel darin bestehen, dafs ersterer nach gewissen Perioden sich
in die Länge entwickelt, während die Wurzel der Perioden
des Erdenlebens weniger unterworfen ist, und daher auch in
allen Jahreszeiten stetiger fortwächst.
Das Blatt entwickelt sich, indem es sich entfaltet;
es ist nicht nur ein Strecken und Wachsen in die Länge,
sondern ein Wachsthum in die Breite, und dieser Le¬
bensrichtung gemäfs weicht es von der senkrechten Stellung
des Achsengebildes ab. Die gewöhnlichen oder Laubblätter
sind vorzugsweise bestimmt, durch Ein- und Ausathmung luft¬
förmiger Flüssigkeiten die Säfte der Pflanzen zu vermehren
und zu verbessern. Anders verhält es sich aber, wenn die
Blätter umgestaltet, verwandelt (metamorphosirt) werden, eine
Erscheinung, welche die Erzeugung des Keimes stets beglei¬
tet. An der Spitze aller Blattmetamorphose steht eine ge¬
schlechtliche Function; das Stempelblatt weiblicher Seite und
das Staubblatt oder der Staubfaden männlicherseits schliefsen
das schöne Spiel der Metamorphose ab. Diese geschlechtli¬
chen Blätter folgen nicht unmittelbar auf die grüne, sondern
es gehen ihnen eine Reihe von Umwandlungen anderer Blät¬
ter voran, welche aber ebenfalls schon dem Fortpflanzungs¬
systeme angehören; sie zeichnen sich von den Laubblättern
durch Gestalt und Farbe aus und man kann sie gefärbte Blät¬
ter nennen. Die Verwandelung der Laubblätter zu farbigen
und zu geschlechtlichen Blättern nennt man die aufsteigende
Metamorphose; die rückschreitende Metamorphose dagegen
bezeichnet die Umgestaltung der metamoaphosirten Blätter in
grüne Laubblätter.
In der Blüthe schwindet das Achsengebilde scheinbar
gänzlich und tritt als Blüthenboden auf. Die metamorphosir-
ten Blätter stehen nun nicht mehr über, sondern neben einan¬
der und daher entwickeln sie sich fast gleichzeitig.
Im Aufwüchse erscheinen drei wesentliche Punkte, in de¬
ren Entfaltung derselbe seine gesammte Bildungsthätigkeit dar¬
stellt: Knoten, Blatt und Internodium. Wenn man den Ur-